Röhrenradios "hochfahren"

      Hallo Baumberger,

      am Anfang steht erst einmal eine Sichtprüfung, Netzkabel, Sicherung, Elkos, Netztrafo !!

      Du solltest die Spannung erst mal langsam bis ca. 50 Volt steigern und dabei entweder die Stromaufnahme oder besser das Wattmeter im Auge behalten. Ist im Netzteil ein Fehler, hast du bereits jetzt erhöhten Strom und kannst wieder ausschalten. Da zu diesem Zeitpunkt nur die Heizungen der Röhren und die Glühlämpchen arbeiten, ist im gesunden Radio die Stromaufnahme etwa die Hälfte des Solls.

      Wenn alles in Ordnung ist, kannst du bis ca. 150 Volt steigern. Jetzt emittieren die Kathoden und das Radio beginnt zu arbeiten. Ein leichtes Rauschen oder Brummen kann hörbar sein. Die Leistungsaufnahme ist ca. 75 % vom Soll. Wenn alles zufriedestellend arbeitet, fahre ich bis 220 Volt hoch, aber immer noch den Finger am Not-Aus...

      Gruß, Dieter
      Hallo Thomas,
      bei Geräten mit Selen- oder Silizium-Gleichrichter erhöhe ich über 5 bis 12 Stunden mit einem Stelltrofo von ca. 50V aufwärts bis 220V die Netzspannung. Sicherheitshalber prüfe ich immer, ob an den Netzelkos auch wirklich Gleichspannung entsteht. Oftmals finden sich nämlich Kontaktprobleme im Netzschalter oder der Primärsicherung - hier ist Oxidation meist direkt sichtbar. Zwischendurch wird auch immer wieder die Temperatur des Gleichrichters gecheckt.
      Es ist sicher besser für die Röhren, wenn sie während o.g. Zeit nicht im Gerät stecken, da bei Annäherung an die 220V zwar fast die Nennbetriebsspannung im Gerät herrscht, aber die Röhren noch unterheizt werden. Relevant ist dies aber wahrscheinlich nur für die Endröhren, in denen schon höhere Ströme fließen.

      Andererseits habe ich, wenn ich es mal gar nicht erwarten konnte (also schon häufiger), die Zeit stark verkürzt, z.B. auf 3 Stunden, dabei aber die Elkos längere Zeit bei etwa 100V sich formieren lassen; Röhren habe ich dabei immer stecken lassen.

      Einen Defekt habe ich bei diesem Vorgehen noch nie erlebt, während einige Radios, die mich defekt erreichten, ganz klar durch das unbedarfte Einschalten an voller Netzspannung beschädigt waren (durchgeknallte Si u/o Netzteilelkos).

      Bei Geräten mit Gleichrichterröhre kann man eigentlich genauso vorgehen; hierbei ist es aber noch wichtiger, die Röhren zu entfernen. Die Gleichrichterröhre muß sonst ab einer gewissen Spannung bereits Strom in die Schaltung liefern, obwohl sie noch nicht die minimal zulässige Heizspannung erreicht hat. Das geht sehr auf die Lebensdauer der Kathode.

      Übrigens: Das älteste von mir erfolgreich hochgefahrene Radio war ein Siemens 93W von 1939. Da ist im Netzteil nichts kaputt gegangen, obwohl alles noch komplett original war, insbesondere die Netzteilelkos!

      Viele Grüße
      Eberhard

      edit: zwei Mitglieder waren fixer auf der Tastatur...

      Dieter hat mit seinem Hinweis auf vorherige Sichtprüfung einen ganz wichtigen Punkt aufgezeigt!

      @Heino: Im Prinzip hast Du recht: man müßte die Gl-Röhre mit der ihr zustehenden Heizspannung (4V, 5V oder 6,3V) von außen versorgen. Dann MUSS aber derjenige Heizungkontakt, welcher nicht am Chassis hängt (ggf. auch beide) abgelötet werden !!
      Viele Grüße
      Eberhard
      Also ich würde das von Eberhard beschriebene zeitaufwändige Verfahren anwenden, wenn
      das Gerät
      - extrem alt ist,
      - der Feuchtigkeit ausgesetzt war
      - viele Teile historischen Wert haben bzw. nicht mehr zu beschaffen sind
      - der Verdacht auf Verbastelung besteht

      Bei jüngeren Geräten kann man die Sache schon etwas "brutaler" angehen.
      Ein erfahrener Techniker sieht im Rahmen der optischen Kontrolle bereits Fehlerquellen, die Standardmaßnahmen wie Ersatz von Problemkondensatoren und häufig auch Selengleichrichtern können prinzipiell schon vor dem ersten Einschalten erfolgen. Elkos, die 12 Std. zur Formierung benötigen, möchte ich gar nicht in meinen Geräten haben.

      So gesehen, etwas überspitzt auf den Punkt gebracht: Ausgiebige Sichtkontrolle, Nachmessen des Gleichrichters und der Anodenspannungen gegen Masse, dann über Regeltrenntrafo ans Netz und in 2-3 Etappen die Spannung auf 230V steigern.
      (Oder wie ich es ehrlich gesagt in 99,99% der Fälle mache: an Trenntrafo mit 230V anschließen und einschalten.)

      Wenn bei einem Gerät aus den 50er Jahren dann ein Standardbauteil Überlastungsignale sendet -> Fehler suchen.
      Die Bildung von Kriechstrecken in den Tastensätzen vieler Sabas ebenso wie die bekannten Effekte der Feinschlüsse von Teerkondensatoren erfolgen leider auch erst bei voller Anodenspannung - ein langsames hochfahren führt nicht zum früheren bzw. rechtzeitigen Erkennen des Problems.

      Allgemein gilt auch hier natürlich: Je weniger Erfahrung man hat, umso vorsichtiger sollte man vorgehen!
      Aber: "Wer die Form beherrscht, darf sie auch brechen." :)
      Achim
      Mein liebstes Anzeigegerät beim Einschalten ist wirklich das Wattmeter. Es zeigt mir deutlich an, ob es im Gerät Probleme gibt oder ob man die Spannung steigern kann.

      Gerade habe ich eine Philips Capella 753/4E/3D (meine zweite !!) repariert. Beim Einschalten unter voller Spannung bekommt man schon einen Schreck: die Leistungsaufnahme schwingt hoch auf 120 W und klingt ab auf das Soll von 85 Watt, wenn die Röhren heiß sind.

      Gruß, Dieter
      Also im Prinzip halte ich es so wie Achim,erster Schritt ist eine ausführliche Sichtprüfung.Noch bevor das Gerät ans Netz kommt sind bereits alle bekannten Problemkondensatoren und der Gleichrichter ausgetauscht.Danach habe ich keine Bedenken,den Stecker in die Steckdose zu stecken.Nicht jedes Radio hat sofort gespielt,aber größere Schäden bzw. Überraschungen sind bisher ausgeblieben.Diese Methode mag nicht jedermanns Sache sein,zu empfehlen vielleicht nur Bastlern,die die Wiederbelebung eines alten Radios nicht zur Wissenschaft erheben wollen.

      Gruß Otto
      Gruß Otto
      Heute bin ich vorsichtiger...aber früher kannte ich nur eine Methode:Stecker rein und Taste drücken,ist bisher nie etwas ernsthaftes passiert.Man kann sowieso oftmals davon ausgehen,daß beispielsweise ein bei Ebay angebotenes Radio,vom Verkäufer (natürlich auch aus Unwissenheit) auch nach jahrelanger Ruhepause kurzerhand eingestöpselt wird.Dem nachfolgenden Testergebnis entsprechend wird es dann erwähnt,oder eben nicht....

      Gruß,
      Peter
      Auch bei mir ist noch nie etwas passiert - entweder das Gerät schwieg und produzierte ein leichtes Rauchwölkchen,oder es fing langsam und schlecht an zu spielen.
      Beim Rauchwölkchen Ursache suchen - meistens Gleichrichter + Elko + Anodenkondensator der Endröhre.
      Einen Totalschaden durch Blitz und Rauch beim Einschalten hatte ich noch nie.
      Allerdings habe ich sicher einige Netzelkos geopfert, das ist aber zu verschmerzen.
      Gruß Heino - der Unkaputtbare
      Bei mir werden Geräte ab den Fünfzigern einfach eingeschaltet.
      Meiner einst umfangreichen Röhrenradio-Sammlung hat das nichts getan, mir ist noch nie ein Radio um die Ohren geflogen.

      Heute sind es größtenteils Tonbandgeräte die nach langen Jahren mal wieder in Betrieb genommen werden wollen. Auch die werden fast sofort eingeschaltet, allerdings nach Abnahme der Cahssis-Abdeckung und kleiner Durchsicht ob der Motor frei läuft und die Riemen in Ordnung und auf der Orgel sind, damit es zu keiner mechanische Blockade mit anschließendem Verbrennen der Motorwicklungen kommen kann.

      Raucht es dabei irgendwo, was in über 40 Jahren einmal passierte, dann wird eben ausgeschaltet und der Fehler gesucht. In eben dieser Zeit kam es sowohl beruflich wie auch privat nur zu insgesamt zwei Vorfällen:

      Einmal wurde vom Kunden berichtet, daß ein Röhrenradio mit einem lauten Knall explodiert wäre und die gesamte Wohnstube vernebelt hätte.

      Einmal knallte - eher knackte - es in einem Tonbandkoffer und es drangen leichte Rauchwolken aus dem Koffer.

      Im ersten Fall war der Netztrafo aufgebläht und abgebrannt und der Gleichrichter samt Siebelko geplatzt. Der Kunde hatte den Spannungswähler statt auf 220V auf 120V geschaltet.

      Im zweiten Fall war die Anodenspannung kurzgeschlossen gewesen, was den Gleichrichter und die Sicherungen zerstört hat.

      Meine Bange vor größeren Vorfällen mit Radios und Bandgeräten ist dementsprechend gering. Da hab ich mit Fernsehgeräten schon ganz andere Lautstärken und Feuersbrunsten bei unerwarteten Vorfällen erlebt.

      Was ich für wesentlich brisanter halte ist alte Geräte, egal wie sie mit Aktiv-Bauelementen bestückt sind, unbeaufsichtigt oder in Abwesenheit zu starten oder laufen zu lassen (Timerbetrieb, Weggehen solange der Fernseher an ist usw.) oder auch dieser unsägliche Standby-Betrieb.

      Hierbei hab ich Unmegen an Vorfällen erlebt oder davon gehört.
      Mir selber ist mal im Schlaf ein Fernseher im Schlafzimmer abgefackelt, das Glück war dabei mit mir mich rechtzeitig zu wecken, normalerweise erstickt man schon bevor man aufwacht.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.
      An einen denkwürdigen Fall kann ich mich auch noch erinnern: Ein Fernsehgerät war schon in einer anderen Werkstatt gewesen (was ich nicht wusste), dort hatte man einen Elko ersetzt, falsch gepolt eingebaut und dann nicht mehr eingeschaltet.
      Gegen Abend hatte ich dann alle Papierfetzen von meiner Kleidung - und aus dem Gesicht - wieder abgepopelt. Ich hatte beim Einschalten noch schön den Kopf über das Chassis gebeugt...
      Auch hier wäre beim "langsamen Hochfahren" die zunehmende Erwärmung des Elkos wohl nicht aufgefallen.
      Achim
      Genau, Elkos kann man noch so sanft hochfahren, das hilft einem oft nicht viel.

      Das Beispiel von Achim förderte eine Erinnerung an einen Telefunken-Verstärker wieder nach oben.

      Die Endstufe wurde mit niedriger Spannung getestet und lief so stundenlang.
      Dann wurde auf Nennspannung erhöht und wieder lief sie so um die 2 Stunden. Als es auf der Leiterplatte leise sang (im Werkstattlärm war nicht zu hören ob zum Signal oder Netz synchron oder sonstiges) wurde mit dem Ohr die Quelle gesucht. Über einem kleinen Elko angekommen, meinte dieser nun augenblicklich einen Druckabbau durchführen zu müssen. Ergebnis siehe Achim, alles voll Gesupp und Watte und zusätzlich drei Tage lang Knalltrauma am Gehör.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.
      Wie wahr Heino, wie wahr.
      Aber man macht es doch irgendwann, wenn der Inhalt des Kopfes sich im Urlaub befindet.

      Nur gut, daß DAS wertvolle Körperteil nicht im Verdacht steht zum Hören oder Sehen oder Schnuppern tauglich zu sein, so kann es unter dem tisch darauf warten das die Gefahr vorüberzieht und man sich nur die Ohren verbrennt.
      ;)
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.
      Es wäre doch mal eine eine gründliche Untersuchung wert, festzustellen, ob es Zeitgenossen gibt, die das von Dir als besonders wertvoll klassifizierte Körperteil schon mal in einem Röhrenradio oder anderer Röhrenelektronik zeitweise versenkt haben. Beiträge aber bitte ohne Bild!:aaa:
      Gruß Heino - der Unkaputtbare