Originalität oder praktikable Lösung

      Originalität oder praktikable Lösung ?

      In den letzten Tagen habe ich mit gewissem Schmunzeln die vielen Posts über das „Auswechseln eines Siebelkos“ im Forum verfolgt.

      Dabei stellte sich mir wieder einmal die Frage: „ Wollen wir bei der Restauration unserer geliebten Oldie`s wieder eine absolute Originalität herstellen , damit alles wieder haargenau so ist, wie es einmal war, aber damit in Kauf nehmen, dass dann den Geräten ev.
      kein Ton mehr zu entlocken ist und nur noch als reine Museumsstücke Verwendung finden können ? Oder wollen wir die alten Stücke so restaurieren und reparieren, dass sie wieder dem ursprünglichen Zweck, gute Übertragungen, gute Musikaufführungen usw. zu ermöglichen ,zugeführt werden können?

      D a r ü b e r g e h e n d i e M e i n u n g e n w e i t a u s e i n a n d e r !

      Die Frage lautet für mich : Was ist Originalität?
      Wenn ich verfolge, wie einige Forumsmitglieder geradezu penetrant darauf bestehen die bei SABA verwendeten blauen Kondensatoren auszuwechseln und dann die Neuen, ev. von Volker gelieferte „Gelbe“, wieder in blaues Papier mit der Aufschrift SABA rollen, kann ich mich nur wundern. Damit lügen sie sich doch selbst in die Tasche !!! Ich warte nur noch darauf, dass einer bei einem gerissenen Skalenseil darauf besteht, wieder eines von der Firma SABA verwenden zu wollen, um so die Originalität des Gerätes zu retten.
      Wenn ich sehe, dass bei Restaurierungen die Filterbecher auf Hochglanz poliert werden , dann kann ich nur sagen, dies entspricht nicht dem Original. Bei keinem Serien - SABA-Chassis gab es hochglanzpolierte Filterbecher, ausser bei einem oder zwei Stücken die auf der Funkausstellung in Berlin als Ausstellungsstücke gezeigt wurde.
      Ich bin der Meinung, solange an einer SCHALTUNG nichts verändert wird und das Gerät von der Aussenansicht mit allem Ambiente so aussieht wie das Grundmodell einmal war, hat es seine Berechtigung als „ORIGINAL“ zu gelten.
      Ausgewechselte elektronische Kleinbauteile die dem Verschleiss unterliegen, müssen ausgewechselt werden dürfen, ohne dass das Gerät den Anspruch als Original zu gelten verliert.( Wenn ich bei einem „ Torpedo-Fahrrad“eine Speiche wechsle, bleibt es immer noch ein Torpedo-Fahrrad. Heino wird diese Marke noch kennen.)
      Natürlich kann ich einen Empfänger der mit Greencones-LS ausgerüstet war nicht mit einem LS anderer Marken bestücken, dabei würde sich die Tonqualität und damit die Originalität ändern. Anders verhält es sich mit Röhren, sie werden von allen produzierenden Firmen (VALVO,SIEMENS,TUNGSRAM usw.) mit den selben elektrischen Werten hergestellt.

      Also „Restaurieren“ um die absolute Originalität wieder herzustellen oder „Reparieren u. Restaurieren“ um das Gerät wieder zum Leben zuerwecken ?

      Dazu erlaube ich mir hier zwei Fragen zu stellen, die hoffentlich in diesem Forum zu einer lebhaften Diskussion und Versachlichung des gestellten Auftrages führen:

      1.Ist es mir wichtiger, ein Gerät zur absoluten Originalität zurückzuführen und es als Museumsstück zu betrachten ?


      Oder

      2. Lege ich grössten Wert darauf, dass das Radio wieder zum Leben erweckt wird, als „Original“ erhalten bleibt und ich mich an seinem schönen Klang wieder erfreuen kann ?


      Viele Grüsse aus dem schönen Hegau !

      Helmut
      SABANESE von 1954-1962.
      Hallo Helmut,

      meine Einstellung zu der Frage habe ich hier und da schon zum Ausdruck gebracht. Zusammengefasst sind das meine Thesen:

      1. Wenn die Erfordernisse der Optik bzw. des originalgetreuen optischen Eindrucks und und technischer Perfektion oder Sicherheit auseinanderfallen, entscheidet die Technik.

      2. Es darf, und muss vom "Restaurator" alles am Gerät ausgeführt werden, was ein nach den anerkannten Regeln der Technik arbeitender Techniker im Rahmen von Reparaturen oder Wartung im Laufe der Lebenszeit des Gerätes auch durchgeführt hätte.

      3. Die Arbeiten sollten sauber und sorgfältig und im Sinne der Konstrukteure bzw. Erbauer dieser Geräte erfolgen.

      4. Aus 2. und 3. folgt, dass sich Modding-Orgien wie Neoninnenbeleuchtung, aufgebohrte Filterabdeckungen, Soundtuning usw. verbieten.

      5. NOS Ersatzteile sind bei Röhren optimal, bei allen anderen Bauteilen ist fallweise zu entscheiden.

      6. Die Konservierung unberührter alter Geräte im absoluten Originalzustand ist auch ein verständliches Sammelziel, jedoch dürfen diese Geräte weder betrieben noch als alltagstauglich veräussert werden.

      7. Tradition bedeutet, die Flamme am Brennen zu halten und nicht, alte Asche aufzubewahren.
      Achim
      Ich habe zu der Frage eine ganz bestimmte Meinung, die ich mir auch nicht ausreden lasse. Bei technischen Antiquitäten steht neben dem originalen äußeren Erscheinungsbild als zweites ebenso wichtiges Merkmal die Funktion. Sollte die nicht mehr gegeben sein, und auch nicht mit Originalteilen aus der Zeit wiederherstellbar sein, handelt es sich bei dem Stück Technik eben nur um eine funktionslose Hülle, die als Anschauungs- aber nicht als Funktionsmodell dienen kann.
      Kein Mensch würde auf die Idee kommen, ein schönes Auto aus den 30er Jahren mit Reifen, Glühbirnen, Bremsbelägen etc. aus der Zeit auszustatten um damit in der Gegend herumzufahren. Das gleiche gilt auch zB für die wenigen noch flugfähigen JU 52.
      Alle Bauteile aus der heutigen Zeit sind erlaubt, die keine funktionale oder konstruktive Änderung bewirken!
      Funktionslose Anschauungsmodelle im Breich Technik halte ich für sinnlos.
      Man darf es auch ruhig sehen, dass ein moderner Kondensator eingelötet wurde. So ehrlich sollte der Rerstaurator schon sein

      So, der nächste bitte!
      Gruß Heino - der Unkaputtbare
      Ich besitze eine alte 250er BMW, die von mir vor langer Zeit hubraum-und leistungsgesteigert wurde.
      Außerdem habe ich andere Modifikationen durchgeführt, wie z.B. stärkere Bremsen vorne oder ein moderneres und vor allem belastbareres Winkelgetriebe sowie eine gescheite Lima.
      Dadurch konnte ich die gebraucht und in nicht fahrbereiten Zustand gekaufte Maschine im täglichen Gebrauch über viele Jahre fahren.
      Die Alternative wäre damals die Schrottpresse gewesen; 1978 war ein solches Fahrzeug kein Oldtimer, sondern nur eine alte heruntergewirtschaftete Karre.
      Jetzt aber kommen Leute daher und finden alles ganz furchtbar, was ich damals gemacht hatte.

      Ich denke, wenn man mit seiner SABA wirklich ernsthaft Musik hören will, sollte man mindestens versuchen, den Stand herzustellen, den das Gerät technisch damals hatte. Auch mit neuen/anderen Bauteilen.
      Bei den Bandgeräten gehts ja teilweise gar nicht anders, ohne die Funktion einzubüßen.

      Alternativ kann man natürlich ein unrestauriertes Gerät ins Regal stellen und sich am Originalzustand erfreuen.
      Einschließlich der links-und rechtsdrehenden Kulturen auf den Reglerknöpfen.
      :)
      Gruß vom Bert
      Nüchtern betrachtet kann es gar keine zwei Meinungen geben.

      Wo endet denn die Originalität eines Radios ? Wenn 1965 in einer Werkstatt einem Freiburg eine EL84 und ein defekter Kondensator ersetzt wurden, ist er im Sinne der Definition der Puristen bereits nicht mehr original.

      Ja, mein Konstanz W hat braune Malzbonbons, die auf dem ersten Blick original hätten sein können und bestimmt schon Jahrzehnte darin schlummerten.

      Das moderne von Reichelt verwendete Lötzinn tut ein Übriges, die Originalität der Lötstellen zu versauen. Puristen denken sogar darüber nach, die silbrig glänzenden Lötpunkte wieder zu mattieren...

      Mir ist es auch sch...egal, welche Farbe die Kondensatoren haben - gelb, rot oder blau, sie sind eh nicht original und können es nie werden.

      Vordergründig ist die elektrische Sicherheit, gefolgt von optimalen Klangeigenschaften.

      Wo ich mir Mühe gebe, ist, die "sichtbare" Optik weitestgehend zu erhalten. Dazu gehören dem Original angeglichener Stoff, originaler EM... Ersatz sowie der größtmögliche Erhalt der Gehäuselackierung.

      Gruß, Dieter
      Ich gebe ungern meinen Senf zu Selbstverständlichkeiten dazu. Hier muss ich mal über meinen Schatten springen und Helmuts Einstellung untermauern. Da es nicht möglich ist, den Regelbetrieb eines Röhrenradios mit Originalersatzteilen sicherzustellen, hat man prinzipiell nur 2 Möglichkeiten: entweder verbleibt das Gerät im ursprünglichen Zustand und wird höchstens zu reinen Vorführzwecken kurz eingeschaltet oder, dass ist erheblich sinnvoller, es wird mit zeitgemäßen Bauteilen wieder seiner eigentlichen Funktion zugeführt. Mir persönlich sind 20 regelbetriebsbereite Radios lieber als 500 sich im Originalzustand befindliche, welche nur mit bereitgestelltem Feuerlöscher eingeschaltet werden können, wenn überhaupt. Helmut, beim Lesen Deines Beitrags ist mir das Herz aufgegangen.

      Gruß Otto
      Gruß Otto
      Nicht gerade bei SABA (ich weiß es nicht besser) aber in der DDR wurde so manches Gerät schon in der Garantiezeit von den Werkstätten seiner Originalität "beraubt". Da hatte ein Tonbandgerät auf einmal zwei rote Aufnahmetasten, weil zur Zeit keine schwarze für die Wiedergabe da war.
      An einem Fernseher prangte zwischen den vielen silbernen Stellknöpfen einfach ein grauer von einem älteren Modell. Hauptsache es war einer dran.
      Ein "Stern-Hobby" bekam nach dem Sturz vom Küchentisch einfach ein Gehäuse vom "Stern-Party", das Innenleben war ja eh das gleiche (R120). Nur sah der "Stern-Hobby" etwas edler aus.
      Manchmal begegnen einem solche vergeunstalteten Geräte in der Bucht, die von einem Bastler dann noch den Rest bekommen haben. (nachträglich eingebaute Netzteil- oder Lautsprecheranschlüsse)
      Da ist es dann schon schwieriger, den wirklichen Originalzustand wieder herzustellen.
      Ich stimme Otto voll zu.

      Was nützt ein tolles Radio, wenn es nicht funktioniert und versifft ist?
      Da hat man doch keine Freude daran?!
      Mir ist besonders wichtig, dass das Radio wieder vollkommen funktioniert und auch betriebssicher ist.
      Da kann man dann auch mal 2 Min. irgendwo hin verschwinden, ohne Angst haben zu müssen, dass gleich irgendwas hochgeht, abraucht oder in Flammen steht...
      Originalität ist mir da ziemlich egal.
      Reparaturen gehören zum Lebenslauf eines jeden technischen Gerätes, sei es ein Auto, ein Radio oder sonstwas.

      Ein Oldtimer hat ja auch nicht mehr das Öl von damals im Motor...
      Der philosophische Anteil in der Betrachtung ist ja die Frage, welche Originalität schwerer wiegt. Sind die alten und möglicherweise kaputten Teile wichtiger, oder viel mehr der funktionelle Originalzustand. Letzterer ist für mich, dass das Gerät dessen nachkommen kann, wozu es erdacht wurde. Schließlich ist kritisch zu prüfen, was ein ORIGINAL-Zustand überhaupt ist. Ein total versifftest, mattes und stummes Radio ist nicht mehr so, wie es einst den Schwarzwald verließ. Damals brachte man es hinaus in die Welt mit Hochglanz, sauber und technisch voll in der Norm.
      Um diesen Status heute wieder zu erreichen, müssen gelegentlich gealterte Teile ersetzt werden. Ich bin der Meinung, dass hier das gesunde Mittelmaß zu suchen ist. Der Nostalgie und des Auftretens halber kann doch der große Becherelko auf dem Chassis verbleiben und neue und kleiner Kondensatoren kommen in den Unterbau. Zum Neubefüllen alter Kondensatoren habe ich eine schwankende Meinung, einerseits faszinierend, andererseits tja...
      Die Ersatzteillage ist bei unserem Hobby anders als bei den sonstigen Sammlersparten. Wenn ich morgen früh meine Garage öffne und plötzlich steht da ein 300SL mit Getriebeschaden, bin ich ziemlich angeschmiert. An einem Auto sind praktisch alle Bauteile spezifisch. Unsere Radios bestehen zumindest im Elektronischen aus Bauteilen, die bis heute verfügbar sind.
      Gruß Käptn Pommes *Port. 2,50€*Ketchup/Majo -.50€*
      "Tradition bedeutet, die Flamme am Brennen zu halten und nicht, alte Asche aufzubewahren."
      Ich kann da nur Achim zitieren. Ein toller Spruch!

      Und es muß alles so 100%ig funktionieren wie wenn das Gerät dann gegen Rechnung an den Kunden ausgeliefert würde.
      Also alles FM, KW, MW und auch LW.
      Und es kommt in eine Truhe auch kein Technics SL1210 rein sondern der Dual, der reingehört und er muß gehen auch auf 78!

      Gruß Christoph
      Made in Western Germany!
      ich halte es für legitim, technische Bauteile durch solche neuer Bauart zu ersetzen, und das auch erkennbar, hätte ich einen 1970 gebauten Receiver 1980 zur Reparatur gebracht und defekte Teile wären gegen Rechnung gegen 10 Jahre alte elektronische Bauteile ersetzt worden, wäre ich zu Recht sauer, also die Technik muß funktionieren, ohne dass schaltungstechnisch was verändert wird, beim Gehäuse und mechanischen Bauteilen lege ich Wert auf einen optischen Zustand, der dem Original möglichst nahekommt, zur Not mit nachgebauten Teilen; aber ich denke, die Frage muß jeder für sich beantworten, denn der Besitzer muß mit dem Ergebnis zufrieden sein; das Thema ist heute selbst bei Restauratoren in Museen umstritten: den Istzustand konservieren, also das Teil reinigen und mit den alterstypischen Gebrauchsspuren belassen, oder einen Zustand herstellen, der dem des Neuzustands entspricht, dabei aber nach Möglichkeit mit alten Materialien und alten Arbeitsweisen vorgehen? Ich denke, das muß in jedem Einzelfall der Besitzer für sich entscheiden
      Jörg - wenn ich Benz fahren will, geh ich arbeiten
      Wenn ein Gegenstand in Würde gealtert ist , die eine oder andere Macke oder Kratzer hat, mache ich keinen Rundumschlag. Wir lassen uns doch auch nicht bei jeder kleinen Falte liften.
      Und mit Lücken im Gebiss wird niemand voller Stolz sagen:
      "ist doch original!"
      Die Technik sollte funktionieren, ein Netzkabel aus den 30er Jahren ist zwar spannend, aber nicht beruhigend.

      Gruß Mattes.