Telefunken Bajazzo TS 201 zu leise

      Hallo Leute,
      ich habe ein Telefunken Bajazzo TS 201 von einem Freund auf dem Tisch.
      Das Radio stand in der Küche, ist total versifft und gab keinen Ton von sich.
      Nach gründlicher Reinigung ist das Gehäuse und die Tasten wieder Top,
      aber das Gerät selbst spielt nur ganz leise. Da ich nun von Transistorgeräten gar keine Ahnung habe, bräuchte ich Eure Hilfe bei der Fehlersuche...Teeries gibt es nicht, nur Elkos und die schauen gut aus. Was mich verwundert: Das Ding hat einen Ausgangsüberträger wie ein Röhrenradio. Ich dachte, an Transistorendstufen kann ein LS direkt angeschlossen werden. Gibt es für solche Kofferradios auch typische Bauteile, die mit der Zeit den Geist aufgeben?
      Einen Schaltplan habe ich natürlich auch nicht...
      Hier mal der Link zu dem Teil:
      http://www.radiomuseum.org/r/telefunken_bajazzo_ts201_1.html
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      Gruß Oliver
      Hallo Oliver,

      auch wenn die Elkos optisch noch "gut" aussehen: Alle Elkos des NF-Teils erneuern, auch die grossen 1000 µF! Nach meiner Erfahrung mit zwei restaurierten Bajazzos TS 201 waren in beiden Geräten mehrere Elkos hinüber! Bei beiden Geräten war danach die Lautstärke auch wieder gut.

      Eines der Geräte brauchte noch einen FM-Neuabgleich.

      Ausser gelegentlich festsitzendem AM-Drehko wegen langjähriger Nichtbenutzung (verharztes Fett an den Achslagern der Drehko-Achse) und einigen nach mehr als 40 Jahren schlappen Elkos hat das Gerät m.E. keine Schwachstellen.

      Bei den frühen Transistorgeräten waren Ausgangsübertrager üblich. Eisenlose Endstufe kam erst später.



      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Hallo Reinhard,
      vielen Dank für die schnelle Hilfe! Ich habe mir als "Gute Nacht - Lektüre"
      Schaltpläne von anderen Transistorempfängern angeschaut...auch da sind sog.
      Anpassungsüberträger zwischen den einzelnen Transistorstufen verbaut.
      Na, dann bleiben ja nur die Kondensatoren übrig - das Beruhigt mich :)
      --
      Gruß Oliver
      Hallo Oliver,

      so sehe ich das auch.

      Es gibt noch den 5 µF Ratio-Elko und zwei weitere kleine 10 µF Elkos im ZF-Kästchen. Die kannst Du erstmal aussen vor lassen. Nach meiner bisherigen Erfahrung gibt es eher Probleme mit den Elkos im NF-Bereich. Ich habe die kleinen Elkos am LS-Poti/Klangsteller auch gleich mit erneuert.

      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Hallo Reinhard,
      es gibt bereits Erfolgsmeldungen!
      Habe die Elkos 5 / 50 / 250 / und 1000 uF Getauscht...und das war´s schon!
      Sehr schöner (und auch lauter) Klang! Den Trimmer mit 50 Ohm habe ich beim hantieren "zersemmelt" und auch ausgetauscht (allerdings gegen einen mit 100 Ohm - was anderes hatte Conrad nicht) und so eingestellt, daß es zwar laut, aber verzerrungsfrei klingt. Dann noch eine neue Antenne spendiert (die Alte war abgeknickt) und das Gerät ist wieder Einsatzbereit!
      Wenn ich mit dem Zusammenbau fertig bin, gibt es natürlich noch ein Foto!
      --
      Gruß Oliver
      Hallo Oliver,

      Oh, ein schöner! Also erstmal Glückwunsch!

      Zum 50 Ohm Trimmpoti R409:
      Damit wird der Ruhestrom der Endtransistoren T403 und T404 eingestellt. Hoffentlich bist Du nun mit dem Ruhestrom nicht zu hoch. Bleiben die Endtransistoren noch kühl?

      Wie Du in dem oben gezeigten Schaltbild sehen kannst gibt es am Punkt 6 vom Ausgangsübertrager eine Lötbrücke (Auf der Platine neben dem Ausgangsübertrager). Ein schmaler Spalt in der Leiterbahn, der mit einem Löttropfen überbrückt ist. Diese Brücke muss durch Lotabsaugen geöffnet werden und stattdessen dort ein Milliamperemeter eingeschleift werden. Dann wird ohne NF-Signal mit R409 ein Ruhestrom von 5 mA eingestellt. Anschliessend wird die Brücke wieder gesetzt.

      Die aufzutrennende Stelle habe ich rot markiert:



      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Hallo Oliver,

      da gebe ich Reinhard voll und ganz Recht. Eretze den Trimmer durch einen mit 50 Ohm, auch die sind handelsüblich.

      Der Ruhestromregler ist hier als Spannungsteiler geschaltet, nicht als einstellbarer einfacher Widerstand. Sein Nennwert ist für die einwandfreie Funktion der Schaltung (auch der Stabilisierung des Ruhestroms) relevant.
      Achim
      Hallo Oliver,

      Ja, ich hatte so etwas aus Deiner damaligen Antwort vermutet. Gut, dass Du das noch korrigieren kannst.

      Du hast Verzerrungen bei zu geringem Ruhestrom (Basisvorspannung zu gering), da die Transistoren bei zu geringer Basisspannung noch nicht arbeiten und deshalb Übernahmeverzerrungen entstehen. Erst wenn der Ruhestrom bei 5mA ist, bist Du im Bereich ohne Verzerrungen. Drehst Du aber weiter hoch, gibt es zwar nach wie vor keine Verzerrungen aber der Ruhestrom wird dann zu hoch und die Transistoren brennen Dir ggf. durch oder Du verkürzt deren Lebensdauer. Ist also gerade "andersherum" als von Dir anfänglich vermutet.

      Beim Einbau des 50 Ohm Potis darauf achten, dass es vor dem Einschalten auf Mittelstellung ist und nicht etwa am Anschlag steht. Sonst könnte genau dieses Desaster passieren. Sofort nach Einschalten vorsichtig auf die 5 mA einstellen. Einmal kurz zu weit gedreht...kann sofortigen Exitus bewirken.

      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Moin,
      das ist keine Endstufe mit OC45, die kann schon was ab ;)

      AD155 ist bei entsprechender Betriebsspannung gut fuer 4-5W, denn das Geraet ist ein sog. Universalsuper, der in einer Autohalterung genug Leistung fuer einen fest im Auto eingebauten Lautsprecher haben musste. Eine andere Loesung waere eine Zusatzendstufe in der Halterung gewesen, sowas gab es auch (Graetz?).

      Die Endtransistoren werden bei zu hohem Ruhestrom zwar nicht gleich abfackeln, aber diese Geraete sind auf einen moeglichst geringen Ruhestromverbrauch ausgelegt. Batteriestrom war schon immer teuer, ein Satz Monozellen musste schon mal 100 und mehr Stunden halten. Und Mitte der 60er war sowas wie "Alkaline" noch etwas noch teureres Exotisches. Also musste die anvisierte Batterielebensdauer mit gewoehnlichen Taschenlampenzellen erreicht werden koennen.
      Daher der geringe Ruhestrom von 5mA.

      Das Ruhestrompoti sollte durch den passenden Wert ersetzt werden, auch wenn sich mit einem 100 Ohm Poti der Ruhestrom einstellen laesst. Es liegt parallel zum Kompensationsheissleiter und linearisiert dessen Temperaturgang. Ein falscher Wert kann zu Instabilitaeten des Ruhestromes fuehren. Das Ganze ist so eingerichtet, dass der Ruhestrom bei wechselnden Temperaturen im zulaessigen Bereich moeglichst konstant bleibt. Wichtig fuer diese portablen Geraete, die auch bei 50°C im Auto betrieben wurden.

      AD155: 25V, 2A, 6W

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      Peter
      Hallo Leute,
      das mit dem Verzerren bei zu geringem Ruhestrom konnte ich auch feststellen.
      Jetzt gäbe es natürlich die Möglichkeit, das Poti so Einzustellen, das die Verzerrungen weg sind und dann nicht weiter hochregeln.
      Da das Gerät aber erst Ende September gebraucht wird, werde ich mir den 50 Ohm
      Trimmer besorgen und alles nach Anleitung machen. Aber es ist beruhigend zu Wissen, daß trotzdem nichts abrauchen kann. Der Klang ist für so ein altes Kofferradio erstaunlich. Mein aktuellstes Radio ist ein Grundig Prima Boy 100 aus dem Jahr 2000, der aber klanglich mit dem Bajazzo nicht mithalten kann. Damals suchte ich nach einem Kofferradio, aber neu gab es so etwas gar nicht mehr. Entweder Taschenquäken oder Ghettoblaster, da war ich froh, daß Grundig noch was im Programm hatte.
      --
      Gruß Oliver
      Hallo Oliver,

      ein wesentlicher Grund für den guten Klang des Bajazzo ist dessen grosser, ovaler Lautsprecher. Dadurch ist er im Klang "voller" als runde Lautsprecher, die in derselben Grösse in dem zu verfügung stehenden Raum im Kofferradio dieser Grösse nicht unterzubringen sind.

      Jedenfalls habe ich aus 1968 noch einen einwandfreien Blaupunkt Derby. Der kann empfangsmässig mit dem Telefunken Bajazzo TS 201 gut mithalten, aber keinesfalls beim Klang. Der Blaupunkt klingt vergleichsweise "quäkiger", wie man das bei dem kleineren (runden) Lautsprecher auch erwarten könnte.

      Ich frage mich, warum andere Hersteller solche grösseren ovalen Lautsprecher nicht eingebaut haben. Oder liege ich damit falsch? Ggf. gab es Schutzrechte (Patent) von Telefunken, die das verhindert haben, obwohl ja z.B. Isophon solche Lautsprecher im Standardprogramm hatten? Wer weiss mehr dazu?

      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Moin,
      das hat mit Patenten nichts zu tun, eher damit, was der Hersteller bauen wollte und vor allem, wieviel Platz fuer den Lautsprecher zur Verfuegung steht.
      Bei Grundig z.B. gab es auch jede Menge Ovallautsprecher, Groessere Geraete als der Derby hatten auch Ovallautsprecher (Standardtyp fuers Auto im Akkord Pinguin 800, ich weiss jetzt nicht, wie die Blaupunkvarinte dieses Geraetes heisst. Es besteht in wesentlichen Teilen aus einem Autosuper, dem Blaupunkt Frankfurt. Ach ja, der Blaupunkt hiess Riviera Omnimat.)

      Ein Blaupunkt Derby ist auch nicht gleich ein Blaupunk Derby. Ein Derby 660 z.B. klingt mit seinem 10cm Lautsprecher recht gut. Die Ursache fuer den guten Klang der meisten deutschen Koffersuper ist simpel, naemlich eine sorgfaeltige Auslegung des NF-Teiles mit seiner Frequenzgangkorrektur fuer den Lautsprecher und seine Einbauverhaeltnisse. Das hat(te) die Importware nicht, sie kann daher oft nicht mithalten. Es faengt schon mit Kleinigkeiten an, wie z.B. einer gehoerrichtigen Lautstaerkeeinstellung. Hochwertige Geraete hatten zweifach angezapfte LS-Potis, beim Grundig Satellit 3000 war es dreifach angezapft.

      Ueber den Grossteil der nach 1980 hergestellten Henkelware breiten wir besser den Mantel des Schweigens ;) Die hat es mit wenigen Ausnahmen nie fertiggebracht, einen Klang zu liefern, den man schon in den 60ern haben konnte. Da halfen auch solche Gimmicks wie X-Bass nicht...

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      Peter
      Hallo Peter,

      mein Vergleich war mit einem Derby 681.

      Der hat - wie alle Derby der Ende 60iger /Anfang 70iger - auch einen 10cm Lautsprecher. Aber im direkten Vergleich zu einem Telefunken Bajazzo TS 201, Bajazzo De Luxe oder Bajazzo TS 401 (alle mit grösserem Ovallautsprecher) hat er klangmässig gar keine Chance. Ich habe sie beide nebeneinander abgehört, mit Klangsteller bei beiden in Mittelstellung. Von der äusseren Baugrösse waren alle diese Geräte gleich. Wenn es gewollt gewesen wäre, hätte auch in den Derby der grössere Ovallautsprecher reingepasst.

      Möglicherweise war die physiologische Lautstärkeregelung bei Telefunken besser ausgelegt oder bei dem Blaupunkt gar nicht vorhanden. Das ist ein wichtiger Punkt, den Du da nennst.

      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Nun gehören Lautsprecher ja zu den teureren Bauteilen. Ich könnte mir vorstellen, dass hier gerne gespart wurde, um ein Kostenlimit für ein gegebenes Modell nicht zu reißen. In manchen Fällen könnte auch ein "Unversallautsprechermodell" in großen Mengen beschafft worden sein, das für mehre Kofferradiomodelle zum Einsatz kam.
      Achim
      Moin,
      "Klangsteller in Mittenstellung"....

      Ist bei den Koffergeraeten kein Kriterium, denn sie haben nur einfache Klangblenden, aber keinen "Kuhschwanzentzerrer", denn der haette ein bis zwei Transistoren extra gebraucht (und eignen sich nicht fuer grossraeumig verteilte Bedienelemente, z.B. Derby 660). Die einfachen Klangblenden funktionieren meist nach dem Prinzip "kaum bis etwas Anhebung, dafuer aber starke Absenkung). Der maximal moegliche Ton wird also idR. bei voll aufgedrehten Klangstellern erreicht, alles andere ist eher zur Unterdrueckung unerwuenschter Geraeuschhintergruende gedacht. Eher so eine "Stufenlose Rausch- und Sprachtaste" ;)

      Die Blaupunkt haben natuerlich auch gehoerrichtige Lautstaerke. Die war bei den (echten) deutschen Geraeten ab der "Kleinstklasse" selbstverstaendlich, sowas gehoerte dazu.

      Und dann gab es bei den Koffergeraeten keine Norm, die festlegte, wie der effektive Fequenzgang auszusehen hatte. Bei HiFi war die Festlegung einfach, "so naturgetreu wie moeglich". Bei Koffergeraeten war es wie bei den Dampfradios, so "angenehm oder stimmig wie moeglich". Was darunter zu verstehen war, konnte der Hersteller selbst entscheiden, So kam es dann zum "Familienklang" der einzelnen Hersteller.

      Edit: Ich bin mal ins Archiv gekrochen und habe das Schaltbild von Derby 681 herausgekramt. Es gibt doch Unterschiede zum Derby 660. In erster Linie keine trafogekoppelte Endstufe mehr, der 660 hatte noch Treiber- und Ausgangstrafo. Keine Gegenkopplung mehr von der Endstufe ins Klangnetzwerk (zur Klangbeeinflussung) . Keine getrennten Hoehen- und Basseinsteller mehr, dafuer Klangwaage. Aber es gibt ein doppelt angezapftes LS-Poti fuer die gehoerrichtige Lautstaerke.
      Was auch weggefallen ist, ist die doppelte Ausnutzung der UKW-Vorstufe als aperiodische AM-Vorstufe.

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      Peter
      Hallo Peter,

      Deiner Nachforschung zur Schaltung habe ich nichts mehr hinzuzufügen - es ist zur Technik damit (fast) alles gesagt.

      Nur noch zu den Klangreglern der verglichenen Geräte ist anzumerken:
      Die Einstellung der Klangblende im Blaupunkt Derby ist nicht der Grund für den schlechteren Klang im Vergleich mit Telefunken. Dreht man sie nach rechts, fehlen sogleich die Bässe wie beim Telefonhörer, nach links verschwinden ebenso schnell die Höhen, als wäre ein Kissen vor dem Lautsprecher. Mit anderen Worten: Der Vergleich in Mittelstellung ist für ausgewogenen Klang auch nach Höreindruck das Optimum, besser geht es hier nicht.

      Der Telefunken Bajazzo TS 201 hat bei Klangreglermittelstellung gute, klare Höhen- und kräftige, volle Basswiedergabe. Voll aufgedreht klingt dort beides stark übertrieben. Er ist also mit Sicherheit nicht so ausgelegt, dass man die Regler voll auf Rechtsanschlag drehen sollte, um angenehm zu hören. Deine Vermutung einer möglicherweise klanglichen Fehleinschätzung bei meinem Vergleich aufgrund möglicher Falscheinstellung der Klangwaage bzw. Klangregler ist in diesem Fall ohne Grundlage, da beide Geräte in Reglermittelstellung für sich auf bestmöglichen Klang eingestellt sind, obgleich Deine Bemerkung für andere Geräte ja zutreffen mag.

      Sorry, ich musste das hier noch anfügen, ich kann ja noch hören. Und der Klangunterschied zugunsten des Telefunken ist wirklich unüberhörbar, wenn man nicht volltaub ist. Durch die möglichen Gründe sind wir ja durch.

      Herzlichen Gruss,
      Reinhard
      Moin,
      ja, die Klangwaage hatte ich uebersehen. Die bewirkt in ihren Endstellungen die Absenkung des jeweiligen Frequenzbereiches. Ich war bis zu meinem Ausflug ins Archiv davon ausgegangen, dass der Derby 681 noch getrennte Bass-/Hoehensteller wie der 660 hat. Die muss man beide aufdrehen.

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      Peter