Ein bischen Kaiser, ein bischen Saba...Mainau WH
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nach meinem 80. Geburtstag, das Restaurieren und Reparieren von Radiogeräten aufzugeben. Nun hat mir anfangs März meine Enkelin ein altes Gerät angeschleppt, das sie auf einem Flohmarkt in Heidelberg günstig erstanden hatte. Es entpuppte sich als „Saba Mainau WH“ in ziemlich desolatem Zustand, aber restaurationsfähig.
Nachdem mir Heino dankenswerterweise ein Schaltbild zukommen lies und ich hier im Forum über die Seltenheit dieses Gerätes gelesen hatte, entschloss ich mich das Gerät wieder herzurichten, zumal ich nach genauer Inaugenscheinnahme ein geschichtliches Verhältnis zu diesem Radio herstellen konnte. Dazu muss ich etwas aus dem Nähkästchen plaudern.
Als ich 1949/50 bei Kaiser-Radio in Kenzingen arbeitete, war in der Firma ein Entwicklungsingenieur Names Preuss (Name geändert) beschäftigt, der von Telefunken kam. Er entwickelte bei Kaiser gerade einen „Kleinsuper“ der fast Serienreife erlangt hatte. Gerade zu diesem Zeitpunkt hat er die Firma Kaiser verlassen und ging 1950 in die Entwicklungsabteilung der Firma Saba nach Villingen. Ich habe ihn im Jahre 1954 dort wieder getroffen.
Als ich nun mit der Restauration/Reparatur meines zugeflogenen Mainau WH begann und das ausgebaute Chassis begutachtete, kam ich zum Schluss, dass dieses von der Konstruktion her nicht unbedingt „Saba-typisch“ ist. Was wir vor allem auffiel war, dass der in diesen Jahre in allen Sabageräte eingebaute Schwungrad-Antrieb fehlte. Aber irgendwie kam mir das Chassis bekannt vor, nur wusste ich nicht mehr, in welcher Ecke meines Gehirns darüber etwas abgespeichert war. Aber dann, eines Morgens in der Frühe, nach einem Tiefschlaf, viel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Radio, vor allem das Chassis, könnte jenes Exemplar sein, das von Herrn Ing. Preuss bei Kaiser-Radio entwickelt wurde und bei Saba in Produktion ging. Da auch das Gehäuse nicht unbedingt „Saba-typisch“ ist, gehe ich davon aus, dass auch schon 1950 „Know-How“ von einem Betrieb zum anderen wanderte. Das Mainau WH kam 1951/52 auf den Markt. Somit kann es heuer seinen 60. Geburtstag feiern und ich glaube, dass diese kleine Episode daher erzählenswert ist.
Das Gerät ist in einem schlechten Zustand. Ich kann und will daraus kein neues Radio machen. Schließlich hat es 60 Jahre auf dem Buckel und das soll und darf man ruhig sehen.
Aber nun zu einem Reparatur/Restaurationsbericht.
Geräte-Typ: Saba Mainau WH
Baujahr: 1951/52
Bauart: AM = 6 Kreise / FM = 9 Kreise
Saba's erstes Gerät mit Ratio-Filter mit 2 Stück Germanium-Dioden
A. Sicht- und mechanische Kontrolle
1. Gehäuse
Stark verschmutzt, tiefe Kratzer und Rillen, Farbe ziemlich ab. Schallwandstoff stark verschmutzt. Drehknopfblenden goldfarbig überstrichen.
Abhilfe: Gehäuse abgeschliffen, neu gebeizt und mit Lack (Seidenmatt) neu gespritzt und poliert. Schallwandstoff gewaschen. Messingblenden an den Drehknöpfen gereinigt und poliert.
2. Chassis
Verstaubt, aber rostfrei. Skalenantrieb ist in Ordnung, läuft einwandfrei. Tonabnehmeranschluss wurde von Bananenstecker auf Diodenbuchse umgearbeitet. Antennenanschlussplatine vom Chassis abgerissen.
Abhilfe: Chassis entstaubt und gesäubert. Alle Umlenkrollen geölt. Antennenanschlussplatine neu am Chassis befestigt.
3. Lautsprecher
Stark verstaubt, Membrane ok.
Abhilfe: Entstaubt und gereinigt.
B. Elektrische und akustische Überprüfung
Gerät über Glühlampenanschluss an das Netz.
1. Fehler/Suche:
Gerät hat Kurzschluss netzseitig. Entstörkondensatoren 2 x 5.000 pF haben Kurzschluss.
Abhilfe: C 2 x 5.000 pF ausgewechselt. Damit Schluss beseitigt.
2. Anodenspannung
Vor- und nach Gleichrichtung (Einweg-Selen) Anodenspannung ist ok. Lade- und Siebelko ok. Keine Brummspannung. Sämtliche funktional notwendigen Spannungen mit Oszi und Voltmeter überprüft.
Abhilfe: nicht notwendig.
Akustisch: kein Ton.
C. NF-Teil
1. kein Ton
a. Fehler/Suche: 1 KHz mit Signalinjektor an TA. Kein Ton.
1 KHz an Gitter 1 Endröhre. Jetzt Ton.
Abhilfe: Kopplungs-C 0,01 µF von Anode-Triode EBC41 ausgewechselt.
Ton funktioniert, aber stark verzerrt.
b. Fehler/Suche: Kathodenspannung an Endröhre EL41 zu gering (4,8 V).
Abhilfe: Kathoden-C 25 µF ausgewechselt. Kathodenspannung jetzt 6,6 V.
Verzerrungen verschwunden.
c. Fehler/Suche: Kracher und Aussetzer.
Abhilfe: sämtliche Röhrenstifte gereinigt. Lötstellen nachgelötet und Schaltkontakte gereinigt.
2. Tonblende
a. Fehler/Suche: Tonblende schaltet nicht um von Musik auf Sprache. Kontakt im Innern des Schalters abgebrochen.
Abhilfe: Schalter-Kontakt ist im Innern des LS-Potentiometers abgebrochen und kann nicht ersetzt werden. Schalter überbrückt. Steht jetzt dauernd auf „Musik“.
D. AM-Teil
AM-Teil: kein AM-Empfang
a. Fehler/Suche: Oszillator schwingt nicht. Drehkondensator hat Plattenschluss.
Abhilfe: Plattenschluss beseitigt. Osz. schwingt. Jetzt Empfang auf KW / MW / LW.
E. FM-Teil
a. Fehler/Suche: Kracher durch verunreinigte Kontakte des Wellenschalters. Skaleneichung stimmt nicht mehr.
Abhilfe: Kontakte des Wellenschalters gereinigt, Variometerstab ausgebaut und gesäubert. Ebenso Kerne. Neue Eichung mit FM-Sender auf Skala vorgenommen.
F. Skalen-Beleuchtung
a. Fehler/Suche: Beide Skalen-Lämpchen 6 V / 0,3 A defekt.
Abhilfe: Lämpchen ausgewechselt.
Prophylaktisch wurden die im Schaltbild „rot“ gekennzeichneten Kondensatoren ausgewechselt. Eine Auswechslung des Selen-Gleichrichters und des Lade- und Siebelkos habe ich nicht vorgenommen, da sie noch einwandfreie Werte liefern.
Nach einem 4-stündigen Probelauf, lief das Gerät noch einwandfrei...
Und nun auf, „Mainau“...für weitere 60 Jahre !
Mein Dank gilt Heino für die Überlassung des Schaltbildes.
Bilder
Vor Restaurierung
schmutzige Schallwand
beschädigte Rückwand
Staub und Schmutz
dto.
nach Restaurierung
dto.
auch im Innern herrscht wieder Ordnung
auch die Knöpfe sind wieder sauber
wieder alles im "Lack"
dto.
Wohnzimmertauglich
...für die nächsten 60 Jahre
Großer Schaltplan zum Anklicken:
http://saba-forum.dl2jas.com/bildupload/Mainau%20W-WH.gif
Edit: Schaltplan jetzt Vorschau und groß, DL2JAS
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nach meinem 80. Geburtstag, das Restaurieren und Reparieren von Radiogeräten aufzugeben. Nun hat mir anfangs März meine Enkelin ein altes Gerät angeschleppt, das sie auf einem Flohmarkt in Heidelberg günstig erstanden hatte. Es entpuppte sich als „Saba Mainau WH“ in ziemlich desolatem Zustand, aber restaurationsfähig.
Nachdem mir Heino dankenswerterweise ein Schaltbild zukommen lies und ich hier im Forum über die Seltenheit dieses Gerätes gelesen hatte, entschloss ich mich das Gerät wieder herzurichten, zumal ich nach genauer Inaugenscheinnahme ein geschichtliches Verhältnis zu diesem Radio herstellen konnte. Dazu muss ich etwas aus dem Nähkästchen plaudern.
Als ich 1949/50 bei Kaiser-Radio in Kenzingen arbeitete, war in der Firma ein Entwicklungsingenieur Names Preuss (Name geändert) beschäftigt, der von Telefunken kam. Er entwickelte bei Kaiser gerade einen „Kleinsuper“ der fast Serienreife erlangt hatte. Gerade zu diesem Zeitpunkt hat er die Firma Kaiser verlassen und ging 1950 in die Entwicklungsabteilung der Firma Saba nach Villingen. Ich habe ihn im Jahre 1954 dort wieder getroffen.
Als ich nun mit der Restauration/Reparatur meines zugeflogenen Mainau WH begann und das ausgebaute Chassis begutachtete, kam ich zum Schluss, dass dieses von der Konstruktion her nicht unbedingt „Saba-typisch“ ist. Was wir vor allem auffiel war, dass der in diesen Jahre in allen Sabageräte eingebaute Schwungrad-Antrieb fehlte. Aber irgendwie kam mir das Chassis bekannt vor, nur wusste ich nicht mehr, in welcher Ecke meines Gehirns darüber etwas abgespeichert war. Aber dann, eines Morgens in der Frühe, nach einem Tiefschlaf, viel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Radio, vor allem das Chassis, könnte jenes Exemplar sein, das von Herrn Ing. Preuss bei Kaiser-Radio entwickelt wurde und bei Saba in Produktion ging. Da auch das Gehäuse nicht unbedingt „Saba-typisch“ ist, gehe ich davon aus, dass auch schon 1950 „Know-How“ von einem Betrieb zum anderen wanderte. Das Mainau WH kam 1951/52 auf den Markt. Somit kann es heuer seinen 60. Geburtstag feiern und ich glaube, dass diese kleine Episode daher erzählenswert ist.
Das Gerät ist in einem schlechten Zustand. Ich kann und will daraus kein neues Radio machen. Schließlich hat es 60 Jahre auf dem Buckel und das soll und darf man ruhig sehen.
Aber nun zu einem Reparatur/Restaurationsbericht.
Geräte-Typ: Saba Mainau WH
Baujahr: 1951/52
Bauart: AM = 6 Kreise / FM = 9 Kreise
Saba's erstes Gerät mit Ratio-Filter mit 2 Stück Germanium-Dioden
A. Sicht- und mechanische Kontrolle
1. Gehäuse
Stark verschmutzt, tiefe Kratzer und Rillen, Farbe ziemlich ab. Schallwandstoff stark verschmutzt. Drehknopfblenden goldfarbig überstrichen.
Abhilfe: Gehäuse abgeschliffen, neu gebeizt und mit Lack (Seidenmatt) neu gespritzt und poliert. Schallwandstoff gewaschen. Messingblenden an den Drehknöpfen gereinigt und poliert.
2. Chassis
Verstaubt, aber rostfrei. Skalenantrieb ist in Ordnung, läuft einwandfrei. Tonabnehmeranschluss wurde von Bananenstecker auf Diodenbuchse umgearbeitet. Antennenanschlussplatine vom Chassis abgerissen.
Abhilfe: Chassis entstaubt und gesäubert. Alle Umlenkrollen geölt. Antennenanschlussplatine neu am Chassis befestigt.
3. Lautsprecher
Stark verstaubt, Membrane ok.
Abhilfe: Entstaubt und gereinigt.
B. Elektrische und akustische Überprüfung
Gerät über Glühlampenanschluss an das Netz.
1. Fehler/Suche:
Gerät hat Kurzschluss netzseitig. Entstörkondensatoren 2 x 5.000 pF haben Kurzschluss.
Abhilfe: C 2 x 5.000 pF ausgewechselt. Damit Schluss beseitigt.
2. Anodenspannung
Vor- und nach Gleichrichtung (Einweg-Selen) Anodenspannung ist ok. Lade- und Siebelko ok. Keine Brummspannung. Sämtliche funktional notwendigen Spannungen mit Oszi und Voltmeter überprüft.
Abhilfe: nicht notwendig.
Akustisch: kein Ton.
C. NF-Teil
1. kein Ton
a. Fehler/Suche: 1 KHz mit Signalinjektor an TA. Kein Ton.
1 KHz an Gitter 1 Endröhre. Jetzt Ton.
Abhilfe: Kopplungs-C 0,01 µF von Anode-Triode EBC41 ausgewechselt.
Ton funktioniert, aber stark verzerrt.
b. Fehler/Suche: Kathodenspannung an Endröhre EL41 zu gering (4,8 V).
Abhilfe: Kathoden-C 25 µF ausgewechselt. Kathodenspannung jetzt 6,6 V.
Verzerrungen verschwunden.
c. Fehler/Suche: Kracher und Aussetzer.
Abhilfe: sämtliche Röhrenstifte gereinigt. Lötstellen nachgelötet und Schaltkontakte gereinigt.
2. Tonblende
a. Fehler/Suche: Tonblende schaltet nicht um von Musik auf Sprache. Kontakt im Innern des Schalters abgebrochen.
Abhilfe: Schalter-Kontakt ist im Innern des LS-Potentiometers abgebrochen und kann nicht ersetzt werden. Schalter überbrückt. Steht jetzt dauernd auf „Musik“.
D. AM-Teil
AM-Teil: kein AM-Empfang
a. Fehler/Suche: Oszillator schwingt nicht. Drehkondensator hat Plattenschluss.
Abhilfe: Plattenschluss beseitigt. Osz. schwingt. Jetzt Empfang auf KW / MW / LW.
E. FM-Teil
a. Fehler/Suche: Kracher durch verunreinigte Kontakte des Wellenschalters. Skaleneichung stimmt nicht mehr.
Abhilfe: Kontakte des Wellenschalters gereinigt, Variometerstab ausgebaut und gesäubert. Ebenso Kerne. Neue Eichung mit FM-Sender auf Skala vorgenommen.
F. Skalen-Beleuchtung
a. Fehler/Suche: Beide Skalen-Lämpchen 6 V / 0,3 A defekt.
Abhilfe: Lämpchen ausgewechselt.
Prophylaktisch wurden die im Schaltbild „rot“ gekennzeichneten Kondensatoren ausgewechselt. Eine Auswechslung des Selen-Gleichrichters und des Lade- und Siebelkos habe ich nicht vorgenommen, da sie noch einwandfreie Werte liefern.
Nach einem 4-stündigen Probelauf, lief das Gerät noch einwandfrei...
Und nun auf, „Mainau“...für weitere 60 Jahre !
Mein Dank gilt Heino für die Überlassung des Schaltbildes.
Bilder
Vor Restaurierung
schmutzige Schallwand
beschädigte Rückwand
Staub und Schmutz
dto.
nach Restaurierung
dto.
auch im Innern herrscht wieder Ordnung
auch die Knöpfe sind wieder sauber
wieder alles im "Lack"
dto.
Wohnzimmertauglich
...für die nächsten 60 Jahre
Großer Schaltplan zum Anklicken:
http://saba-forum.dl2jas.com/bildupload/Mainau%20W-WH.gif
Edit: Schaltplan jetzt Vorschau und groß, DL2JAS
SABANESE von 1954-1962.