Blaupunkt Sultan 20200

      Hallo,

      ich habe von einer Freundin ein nettes kleines Blaupunkt-Radio, ein Sultan 20200 (von 1961) zum Durchschauen bekommen. Zustand eigentlich ziemlich gut, das Innenleben von einer dicken Staubschicht konserviert. Und da es bis jetzt immer wieder mal im Betrieb war, habe ich es auch eingeschaltet. Guter Klang für so ein recht kleines Radio, dank ordentlichem Breitbänder (ca. 22x15cm) und zwei seitlichen Elektrostaten.




      Interessanterweise steht hier im Inneren einfach ein Draht hoch, ich vermute das wird ein Testpunkt sein, es sieht absolut original aus. Ich suche nachher mal unter dem Dreck, wohin der geht.



      Und im letzten Bild sehe ich einen Verdächtigen für einen Austausch, der Papierkondensator (mit Schirm) kommt mir komisch vor. Sonst finde ich außer einigen Elkos keine sofort auffälligen "Verschleißteile". Vielleicht fällt euch hier noch etwas ein.

      Zuletzt noch etwas: Die "AUS" Taste hat mal ordentlich eins abbekommen, vielleicht hat irgendjemand hier etwas im Fundus? Sonst werde ich die wohl mit Harz reparieren.

      Gruß, Gunnar
      Hallo Hans,

      vielen Dank für den Tipp, ich habe schon mal nachgeschaut. Die Verbindung zur UKW-Box ist da, aber das in der Luft hängende Drähtchen ist am PIN2 der EABC80 angeschlossen. Es sieht auch nicht abgekniffen oder so aus, und laut Schaltbild könnte es der Punkt "P5" sein.




      Das Service-Schaltbild habe ich mal hier hochgeladen:
      https://www.dropbox.com/sh/p8f43otjn9mnkok/AADb4uUJ5JXEB-Wd_7EwrgqAa/blaupunkt_sultan_20200_am-fm_super_sm.pdf

      Ich frage mich nur, ob es so gut ist, daß ein Punkt, der immerhin an einem Gitter der EF 89 und der Anode der EABC 80 liegt, einfach so in der Luft hängt.
      Gruß, Gunnar
      Hallo,

      ich habe jetzt etwas Zeit mich dem Blaupunkt zu widmen, und da habe ich natürlich auch die eine oder andere Frage. Da er ja generell funktioniert, bis auf ein paar kleinere Problemchen, wollte ich relativ wenig machen, und den Zustand einigermaßen erhalten, mit Blick auf Alltagstauglichkeit.
      Es sind, nach dem was ich bisher gesehen habe, WIderstände guter Qualität verbaut, also keine Kohlemasse-Widerstände, und bei den Kondensatoren sieht es auch nicht ganz schlecht aus.
      Hier habe ich mal ein Bild, mit einem Ausschnitt, wo ich evtl. eure Infos bzw. Hilfe brauche.



      Den geschirmten 22nF ERO wollte ich in jedem Fall tauschen, und auch die paar Elkos drum herum genau unter die Lupe nehmen. Kathodenelko an der EL84 tausche ich auf jeden Fall, und Ratioelko wohl auch.
      Die silbernen Kondensatoren im Bild (z.B. der 0,010µF / 350V) sind bisher Unbekannte für mich. Was meint ihr zu den Typen? Kennt die jemand, und weiß etwas darüber? Sie sehen optisch hochwertig und auch OK aus.

      Morgen Nachmittag kommt dann das Chassis mal raus, und es geht ans grundsätzliche Messen.
      Gruß, Gunnar
      Unterholz ausdünnen, sticht nur in die Augen wenn man es eilig hat.
      Einmal eine Teleskopantenne drin und man schaut das Radio nicht mehr an.

      Wozu so schöne originale Kondensatoren wegwerfen wenn das Radio gut und fehlerlos spielt. Andere lecken sich alle Finger danach, das - meine Prophezeiung - wird nochmal ein unbezahlbarer Ihbäääh-Hype werden, wenn erstmal genügend Leute alles was original ist vernichtet haben und es nur noch Neuramsch gibt. Hier liegt gerade wieder ein solcher Methusalem von Siemens und einer von Frako auf dem Tisch, die ich zu quälen müssen meinte. Ran an das Hochspannungs-Labornetzteil, Tupperschüssel drüber, Volllaststart knapp über Nennspannung (das halten alle unbeschädigten! deutschen Marken problemlos aus, da generell auf If >>> In formiert wurde) nach 50 und mehr -jährigem Schlummer mit eingezogenem Nacken. Passiert ist wie gewohnt nichts, der etwas erhöhte Reststrom der von mir erwartet war trat beim Siemens garnicht ein, und war beim Frako schnell zurückgefallen. Schade, wieder keine Silvesterfreuden.

      Pappendecken wie der ERO-100 gehören so oder so weg.
      Zwar habe ich auch davon schon funktionsfähige gesehen, dann wenn das Radio nicht wie anscheinend in manchen Kreisen üblich vor Jahr und Tag zu den Fischen geschmissen worden war, aber selten, sehr selten und nur bei durchgängig immerzu unter Idealbedingungen aufbewahrten Geräten.

      Die anderen Wickelkondensatoren - welcher Typ mag das sein? - sehen gut aus, Geld sieht auch gut aus, wenn man es in die Tonne wirft. Ergo würde ich sie ohne Beweis für Fehlfunktionen nicht nach außen befördern.
      Hingegen sähe ich mir den 220kOhm Widerstand vor dem Siemens 1uF mal mit der Lupe an, der sieht aus als ob sein Lacküberzug ein Loch hätte, Kohle, Feuchte, Loch... weg mit dem unsicheren Kantonisten.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.
      Diese Antenne wollte ich auch wirklich rausnehmen, ebenso eine weitere Leitung, die unter einem Filterkasten sehr knapp sitzt etwas verlegen, wenn da die Isolierung mal schlapp macht...
      Die Kondensatoren wollte ich auch gern (bis auf die Wackelkandidaten) erhalten, ich habe auch Hoffnung, daß die Siemens-Elkos es noch eine Zeit machen. Messe da mal durch. Und wenn die Gleichrichtung / Siebung auch noch läuft, bleibt sie auch erstmal, das kann man ja leicht an der Anodenspannung und dem überlagerten Brumm nährungsweise beobachten. Die NT-Elkos messe ich auch mal durch.

      Wenn ich das Ding auf dem Tisch habe, mache ich mal ein paar Bilder. Dann werde ich wohl auch die Taste für "AUS" mit Harz reparieren, die Hoffnung, so eine zu kriegen ist sicher gering.
      Gruß, Gunnar
      Tapeworm664 postete

      Dann werde ich wohl auch die Taste für "AUS" mit Harz reparieren, die Hoffnung, so eine zu kriegen ist sicher gering.


      Hallo Gunnar,

      ich habe wohl einen ganzen Karton voller Tasten aber die mit dem gravierten "AUS" wohl leider nicht. :(
      Dennoch könnte ich mal nachsehen, wenn du die Maße der Taste postest. Ich weiß nicht, welche Radios noch die Blaupunkt Tasten verbaut hatten, vielleicht sind es einige.

      Gruß, Dieter
      So, nun ist es doch noch etwas weiter gegangen. Chassis ist raus, gefühlte 10 Liter Staubwolle noch zum Vorschein gekommen, so voll hatte ich bisher kaum ein Radio gesehen. Kein Wunder, daß die Skala trotz neuer Birne so funzelig war. Das ist aber kein Problem, kommt alles in den nächsten Tagen.

      Ich habe mir zuerst mal nach Heinos Einwurf die Widerstände angeschaut. Diese Bauform scheint dort offensichtlich eine Art "Serien-Delle" zu haben, mal mehr, mal weniger. Ich habe mich umgesehen, hier ein Vergleich der beiden 220k Widerstände, einer mit Delle, die noch mit Lack verschlossen ist, die andere scheint tiefer rein zu gehen. Aber beide haben annährend perfekt ihren Nennwert. Also werde ich hier wahrscheinlich nicht tauschen, achte aber auf die anderen R's mit tiefer Delle.



      Dann noch zum Problem mit der Taste. Hier mal folgend ein paar Bilder. DIe Maße sind:
      Gundfläche hinten: Höhe 20,4mm - Breite 21,0mm
      Tiefe der Taste: Oben gemessen: 15,0mm (total); unten gemessen: 13,1mm (total)
      Abmessungen vorne: Höhe 15,0mm - Breite 20,0mm

      Die Druckfläche für den Finger hat eine leichte Delle.








      Hoffe die Angaben und Bilder helfen, eine geeignete Taste zu finden. Sonst wird sie mit Harz repariert.

      Ach ja, es ist egal was drauf steht! :D
      Gruß, Gunnar
      Bei den Widerständen sehe ich kein Problem.

      Auch ich habe schon welche gesehen, bei denen der Lack ähnliche Krater aufweist. Außen sind normalerweise Kappen, da sollte es nicht stören. Wäre der Krater eher in der Mitte, die Widerstandsbahn Umwelteinflüssen ausgesetzt, wäre ich vorsichtiger. An Probleme mit diesen Widerständen kann ich mich nicht erinnern.

      Andreas, DL2JAS
      Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
      Hallo Freunde,

      ich schubse den Thread mal nach oben, heute schreibe ich noch mal etwas später dazu. Die Taste habe ich vorerst mal repariert, da poste ich nachher noch ein paar Bilder.
      Aktuell beschäftigt mich ein Teil der Endstufe, ich habe hier mal einen Schaltplanausschnitt:



      Der Kondensator C785 ist ein 4.700pF Eroid - da er im Anodenstromkreis mit 4,7K gegen Masse hängt, frage ich mich natürlich wie Ausfallfreudig diese C's sind. Was meint ihr? Tauschen?
      Andererseits ist bereits einer der Elektrostaten defekt, so frage ich mich natürlich auch, ob ich den gesamten Zweig (C785, C786, R754-756) da einfach weglassen kann, wenn ich dynamische Hochtöner einbaue und an die Sekundärwicklung anschließe.
      Gruß, Gunnar
      Moin,
      nicht notwendigerweise. Das ganze Netzwerk hat zwei Aufgaben. Ueber R756 wird die Vorspannung zugefuehrt, die beiden Kondensatoren und R754, sowie R756 bilden den Hochpass fuer die Elektrostaten. R755 ist in erster Linie ein Schutzwiderstand. Die Drosseln sorgen dafuer, dass die Leitungen zu den Lautsprechern nicht irgendwie auf UKW in Resonanz geraten, das haette der Gehaeusedipol nicht so gern. Ausserdem sollen sie verhindern, dass HF auf den Lautsprecherleitungen eingesammelt wird und in den NF-Verstaerker eindringt.

      73
      Peter
      Na dann ist für mich die Sache recht klar. Da ich die Elektrostaten sowieso durch 2 Kalotten ersetzen will, fliegt die ganze Schaltung raus. Und da die neuen Hochtöner ja parallel auf die Sekundärwicklung zum Breitbänder gelegt werden, dürfte hier auch eine Schutzschaltung mit den Drosseln wahrscheinlich nicht nötig sein. Der ganze Kreis ist ja niederohmig und die Spulen in den Lautsprechern tun ihr Übriges.
      Ich beobachte mal, ob sich ggf. der Empfang auf UKW ändert, wenn man die Leitungen anders verlegt.
      Gruß, Gunnar
      Ich wollte doch noch über den Fortgang der Reparatur berichten...

      Zuerst also mal die Reparatur der "Aus"-Taste. Die Tasten haben ja oben eine Delle, eine Art Fingermulde. Darum ist es nicht so ganz einfach, da z.B. ein Stück Kunststoff einzusetzen. Auch muß die Fläche nachher einem gewissen Druck standhalten können. Ich habe daher eine Reparatur mit Harz in Betracht gezogen.
      Dazu habe ich von einer unbeschädigten Taste einen Abdruck mit Modellgips gemacht. Gut angerührt, formt der auch ganz feine Details ab, und da es hier keine Hinterschneidungen gibt, ist es völlig unproblematisch, die Taste nach guter Durchtrocknung herauszuziehen. Man braucht nicht mal ein Trennwachs.





      Anschließend die defekte Taste einsetzen, noch mit einem Streifen Tesa fixieren (damit kein Harz herausläuft, und gut mit Stabilit Express, der eigentlich ein Zweikomponenten-Kleber ist, auffüllen.



      Wieder gut trocknen lassen, der Kleber fließt sehr gut in die Ritzen, wir schön hart zum Nachbearbeiten und kann nach Entfernen aus der Form glatt geschliffen und überlackiert werden. Hier noch ein Bild, wie es roh aus der Form gekommen war. Die Form wird gut abgenommen!



      Zum Ende habe ich noch ein Gesamt-Foto vom Radio...
      Gruß, Gunnar
      Weitere Arbeiten waren die Prüfung und teilweiser Ersatz von Kondensatoren und der Ersatz der seitlichen Hochtöner. Die Hochtöner sind durch zwei kleine Kalotten aus dem Car-HiFi Sektor ersetzt worden, die nun unter den alten Kappen der Elektrostaten sitzen. Die statischen Hochtöner waren beide hin, einer sagte gar nichts mehr, der andere krächzte noch schwach vor sich hin. Die Schaltung zur Vorspannungserzeugung und zur Ansteuerung habe ich wie schon oben von Heino empfohlen, komplett entfernt, und die HT sind nun mit 2,2 µF parallel zum Breitbänder an die Sekundärseite das AÜ angeschlossen.

      Die Prüfung der Kondensatoren verlief erstaunlich. Sowohl der dicke Ladeelko als auch die übrigen Elkos im Radio erwiesen sich noch als absolut fit. Das hätte ich nicht (vor allem nicht bei dem Röderstein als Kathodenkondensator der EL84) erwartet. Diese mir noch unbekannten silbernen Folienkondensatoren liegen ausgezeichnet in der Toleranz, meist weniger als +/- 5%. Daher aheb ich erstmal alles drin gelassen. Alle üblichen Spannungen liegen gut in der Norm, mir der leichten Abweichung nach oben, wegen 230 statt 220 Volt Netzspannung.
      Somit habe ich mich entschieden, auch den Selengleichrichter vorerst im Radio zu belassen, er wird nicht warm, es sind keine nennenswerten Brummspannungen in der Versorgungsspannung, und das Radio hatte Zeit seines Lebens immer im Wohnraum trocken gestanden. Meint ihr, das kann man so lassen?
      Der Tastensatz wurde gereinigt, nun kein Krachen mehr beim Umschalten ( war aber vorher auch nicht sehr ausgeprägt).

      Einzig den ERO habe ich getauscht, da diese Pappen ja immer anfällig sind. Dazu habe ich mir aus Spaß mal etwas Arbeit gemacht, und ein Mimikry Kondensator gebaut:

      Ein Kondensator von Volker,



      Selbstklebende Kupferfolie mit angelötetem Draht:



      Einwickeln...



      und dann eine Papierbanderole drum herum kleben (ist mittels Photoshop ind InDesign erstellt)



      So sieht es dann auf der Platine aus:



      Letztendlich noch das gereinigte Radio, voll funktionsfähig, mit einer "neuen" (noch sehr guten altbrauchbaren) EM84:



      Soweit erstmal, das Radio läuft bei meiner Freundin wieder täglich in der Küche, auch mit einem IPod - Adapter über den Tape-Eingang.
      Gruß, Gunnar