Nachwuchs anfüttern mit einem EO213-Oszi und DDR-Elektronikbaukasten

      Hallo Achim, Reinhard und alle Mitleser,

      Achims Baukasten aus den 70ern ist der Vorgänger meines Polytronic ABC. Hersteller ist die Firma VEB Polytronik Saalfeld gewesen. Der Aufkleber auf dem Drehko deutet daraufhin, dass er ein Zukaufteil war. Das trifft auch auf den beigefügten Kopfhörer hin, der in Leipzig hergestellt wurde. Er ist übrigens sehr simpel aufgebaut: zwei in Reihe geschaltete Spulen mit je 1 kOhm Widerstand lenken eine dünne Membran aus Blech aus. Er wird im Baukasten je nach Bedarf als Mikrofon oder als Hörer verwendet, der hohe Widerstand ist in den Schaltungen vorgesehen, moderne Kopfhörer funktionieren nur in wenigen Ausnahmen.

      Für den Hausgebrauch gab es von Polytronic nach meiner Kenntnis folgende Baukästen:




      Der junge Funkmechaniker, Mitte - Ende der 60er





      Transistor Experimentierbaukasten, Anfang der 70er, noch Germaniumtransistoren, aber schon ein echter Luft-Drehko, identisch mit Achims Version





      Polytronic ABC ab 1983, Si-Transistoren, inklusive Teil für Steuerungsaufgaben, mit Fotowiderstand, Motor und Relaisschaltungen
      Der einheitliche Preis stieg auf 92,50 Ostmark

      Den habe ich mal zu Weihnachten geschenkt bekommen und fortan musste meine Mutter staunen, wenn per Klatschen ein Glühlämpchen eingeschaltet wurde oder ein Summton abhängig vom Umgebungslicht höher oder niedriger wurde. Bei den Audionschaltungen hatte ich beste Ergebnisse, wenn unser Vogelkäfig als Antenne herhalten musste.

      Diesen Baukasten verwenden auch heute noch Leute, um mit Schaltungen zu experimentieren. Darunter befinden sich Röhrenverrückte, wie folgendes Bild zeigt:



      Quelle: jogis-roehrenbude.de/Roehren-G…-Baukasten/PolyTronic.htm

      Die Firma war bis Anfang der 70er in Privatbesitz und hieß da noch Moritz Hädrich KG, Saalfeld- Saale, kurz MHS. Da Produktionseigentum nach Marx, Engels und Lenin in Volkshand gehörte, wurden im real existierenden Sozialismus viele Firmeninhaber einfach enteignet. Bei großen Betrieben war das schon in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg geschehen, bei den kleineren holte das der SED-Staat in den Jahren 1971-73 nach. MHS war einer von vielen dieser Betriebe. Als Trost durften die meisten ehemaligen Firmeninhaber aber den neuen volkseigenen Betrieb leiten.

      Wer sich für die Bedingungen interessiert, unter denen solche klein- und mittelständischen Firmen in der ehemaligen DDR arbeiteten, dem empfehle ich einen Abstecher auf die folgende Seite.

      funkhiller.de/tonfunk-ermsleben.html


      Viele Grüße,
      Christian
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      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „chriss_69“ ()

      Hallo Christian,

      ja, der "Elektronik 1 Transistor" ist es. Da werden Erinnerungen wach. Den Kasten habe ich sogar ganz in der Nähe von Saalfeld gekauft,und zwar bei einem Elektrobetrieb mit Ladengeschäft, der selbstständig geblieben war. Der Inhaber führte es in der x-ten Generation. Ein paar Jahre später wurde er enteignet, stieg auf den Speicher und hängte sich auf.

      Die Kunststoffhülsen an den Klemmschuhen der Drahtbrücken neigten zur Rissbildung und pressten die Litze dann nicht mehr an den Steckschuh, daher musste ich die Verbindungen alle anlöten. Der Kopfhörer drückte einem am Bügelende fast ein Loch in den Kopf, weil ungepolstert, aber ich habe sehr viel Spaß mit dem Kasten gehabt und er erinnert mich an eine schöne Zeit.
      Achim
      Bei uns gab es für den Bastelnachwuchs traditionell Philips.

      Das Stecksystem war überzeugend, es waren normale Radiobauteile verwendbar, was ein grenzenloses Erweiterungspotential bot.
      Die Transistoren auf kleinen Leiterplatten ab Werk waren gut, für Erweiterungen konnte man Transistoren aber ohne diese Plättchen dazu geben.

      Sehr schön sah das mit dem Versuchsgestell aus, Lochplatten, Trage- und Haltebügel, eine "echte" Laborfrontplatte für Anzeigen und bedienelemente.

      Der örtliche Bastel- und Spielzeughandel bot praktisch alle Teile einzeln an, um kleine Malheurs auszuwetzen oder zu erweitern.
      Die Ersatzteil-Preise waren natürlich eher Apothekenpreise als Elektronikgroßhandelspreise. Dabei bekam man, wenn man es zu heute in Relation setzt die guten "Mullard" Kondensatoren immer noch für günstig. Aber heute wird eh mit allem was sich bewegen läßt Wucher betrieben.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.

      Oszispielerei die Zweite: Lissajous-Figuren

      Am Sonntag war wieder mal etwas Zeit zum Spielen. Auf Andreas' Anregung haben wir uns dem X-Y-Betrieb gewidmet. Wer schon einmal Lissajous-Figuren gesehen hat, versteht, warum.

      Es werden gebraucht:
      2 Sinus-Signale, eines davon in der Frequenz verstellbar
      1 Oszi, der X-Y-Betrieb ermöglicht
      2 Messleitungen
      2 technikaffine Familienmitglieder

      Sinussignal 1 wurde mit dem Elektronikbaukasten erzeugt. Die einzige brauchbare Oszillatorschaltung ist ein Phasenschiebergenerator:



      Hier sieht man auch die klobigen Tastköpfe, die zum EO 213 gehören. Kein Wunder, dass Con.ad die nicht mit verkauft hat :-).

      Das in der Frequenz verstellbare Sinussignal stammt von meinem Selbstbau-NF-Generator. Er arbeitet mit einer per FET geregelten Wien-Brückenschaltung mit einem Doppel-Operationsverstärker und kann auch Rechtecksignale liefern. In mehreren Bereichen ist er per Doppelpoti jeweils um eine Zehnerpotenz einstellbar. Die Schaltung stammt aus einer alten Elektronikzeitung. Da ich nicht die Rechte daran habe, möchte ich sie hier auch nicht veröffentlichen. Wer interessiert ist: PN an mich.

      Als erstes haben wir nun zwei Signale mit nahezu identischer Frequenz eingespeist.



      Zweikanal-Darstellung




      nach Umstecken des Signals an den X-Eingang und Umschalten auf externen X-Eingang

      Es war gar nicht so einfach, ein halbwegs ruhiges Bild zu erzeugen. Bei idealen Sinussignalen, die mit gleicher Amplitude und 90° phasenversetzt laufen, ergibt sich ein Kreis. Das haben wir nicht geschafft. Unsere Anzeige wechselte von Strich über Oval zurück zu Strich, wobei das Oval etwas verbeult daherkam. Das sind die Unzulänglichkeiten der Generatoren. Speziell der Sinus vom Phasenschieber war alles andere als spektral sauber.


      Aber da geht noch was:



      Lässt man Signale gegeneinander laufen, die ein Frequenzverhältnis 1:2 besitzen, kommen dann solche Bilder heraus:



      Auch hier ändert sich das Bild je nach Phasenlage der beiden Signale zueinander. Offene und geschlossene Seite wechseln einander ab.




      Beim Frequenzverhältnis 2:3 ergaben sich nach unserer Beurteilung die interessantesten Bilder:



      Es wurde dann aber immer schwieriger, das Bild zum Stehen zu bringen. Mein Frequenzgenerator ist nicht sehr feinfühlig.

      Dafür kann man ihn wunderbar für andere Zwecke einsetzen.



      Tini und ich haben die Bandbreite unserer Ohren getestet. Auch seine kleine Schwester musste als Versuchsobjekt herhalten. Über die Zeitbestimmung für eine Schwingung haben wir tiefste und höchste hörbare Frequenz ausgerechnet. Was soll ich sagen, Papa hat verloren. Beide Kinder konnten noch Töne im Bereich von 17-18 kHz wahrnehmen, bei mir versagte das Gehör schon bei 15 kHz. Aber immerhin. Das ist die Maximal-Frequenz, die bei UKW übertragen wird.

      Bei den tiefsten Frequenzen herrschte übrigens Gleichstand. Bei allen war bei 20 Hz Schluss.

      Viele Grüße,
      Christian
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