Ungewöhnliche Kondensatorbauart

      Ungewöhnliche Kondensatorbauart

      Liebe Forenkollegen,

      In einem Wega 3131 fand ich unten abgebildeten Übeltäter im Signalweg. Taub wie eine hohle Nuss ließen diese Kondensatoren nur noch einen Bruchteil des Signales passieren. Die Bauart ist mir bisher noch nie begegnet. Offensichtlich handelt es sich um Elkos. Einer der Delinquenten diente der Stillung meiner Neugier und wurde zerlegt. Im Inneren verbarg sich ein Wickel aus Metallfolie und restfeuchtem Papier.

      Weiß jemand, was die besonderen Eigenschaften dieser Typen sind? Sie sind sonst im Gerät nirgends zu finden.
      Der 207-Widerstand dient nur dem Größenvergleich.

      Beschriftung:
      1uF 63/76V
      ___________
      435 75N

      Verguss: eine Seite rot, die andere grün

      Viele Grüße
      Christian
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      • IMG_20180401_002406.jpg

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      2 + 2 = 5 (für extrem große Werte von 2)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „chriss_69“ ()

      Hallo Stefan, Reinhard,

      danke für eure Antworten. Die Wega 3131 wurden meines Wissens ab 1973 gebaut. Meiner ist sicher nicht einer der ersten, er enthält schon einige nachträgliche Modifikationen in Form von Bauelementen auf der Leiterplattenseite. Damit könnte die Angabe "75N" ein codiertes Herstellungsdatum sein.

      Der Receiver macht zwar einen etwas unaufgeräumten Eindruck mit Leitungsführungen kreuz und quer durch das Gerät, aber die Auswahl der Bauelemente scheint sonst nicht schlecht gewesen zu sein. Es war einer der wenigen Altreceiver, der nicht an Potikratzen und angelaufenen Kontaktschieberfedern litt. Die Kontakte scheinen vergoldet zu sein.
      Bisher waren diese Koppelkondensatoren C467/1067 die beiden einzigen echten Defekte. Sie liegen zwischen dem Ausgang der NF-Quellenumschaltung (mit Schaltdioden realisiert) und dem Monoschalter. Irgendwas müssen sich die Entwickler ja dabei gedacht haben, genau diese Kondensatoren hier eingesetzt zu haben. Das Gerät ist sonst voll mit üblichen Elkos im Alubecher. Das ist der Hintergrund meiner Frage.

      Nun ja, aktuell habe ich 0815-Elkos aus dem Bastelbestand eingesetzt. Es musste schnell gehen. :) Wenn ich gut bin, ersetze ich sie noch mit Folienkondensatoren.

      Frohe Ostern,
      Christian
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      • Schaltung_Kondens.JPG

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      2 + 2 = 5 (für extrem große Werte von 2)
      Hallo Christian,

      hier im Forum war früher schon mal angemerkt worden (von Achim, glaube ich), daß im Gegensatz zu japanischen Herstellern, bei denen zu Serienbeginn alle Bauteile, Spezifikationen und Lieferanten festgelegt waren und tatsächlich die gesamte Fertigungsserie hindurch auch unerschütterlich gehalten wurden, bei namhaften deutschen Herstellern (ich kann nicht behaupten, dass das alle waren, aber jedenfalls auch solche mit sehr grossem Namen) solche engen Anforderungen nur bei bestimmten, als kritisch angesehenen Bauteilen galten. Elkos gehörten meist nicht dazu, sofern Kapazität und Spannungsfestigkeit den Anforderungen genügten, deshalb sehen wir selbst bei Geräten des gleichen Typs/Serie ganz verschiedene Fabrikate von (gewöhnlichen) Klein-Elkos, selbst innerhalb eines Gerätes, aber auch zwischen verschiedenen Geräten. Das war (und ist noch heute) in Japan verpönt. Es konnte also gut sein, dass auch 1973 im Wega noch ein Lot von Restbeständen aus früherer Fertigung verwendet wurde!

      Gruß
      Reinhard
      Hallo Reinhard,
      Da hast Du vermutlich recht. Wenn ich an den bunten Strauß an Bauelementen bei den Sabareceivern denke, lag die günstige Verfügbarkeit wohl ganz vorn bei der Auswahl. Hier stellen sich aus meiner Sicht ebenfalls keine besonderen Anforderungen. Die Linearität ist bei einem Elko, noch dazu mit überlagerter Gleichspannung vermutlich schon in ausreichendem Maß vorhanden gewesen.

      Viele Grüße,
      Christian
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      Das kann man so und dort (verbaut) nicht von allen Konstruktionen sagen.
      Es gab Hersteller die haben einen "bunten Strauß" an Bauelementen verbaut um für jeden Zweck den genau geeigneten Typ zu verbauen und dennoch nicht den konkurrenzfähigen Preisrahmen zu verlassen. Das es immer mal zu Wechseln der Lieferanten und Bauarten kam, war mit den Produktingenieuren für die Serienfertigung abgestimmt, natürlich gabe es auch "windige" Hersteller, aber das ist nicht der Normalfall.
      Ich kann nur dazu raten, wenn man sich in der Bauelementekunde nicht auskennt, immer ganz genau den gleichen Typ eines Bauelementes zu verwenden. Wahre Könner (hier vielleicht eine handvoll) sind aber durchaus in der Lage selber und richtig zu entscheiden, wo sie abweichen können und wo nicht, den anderen rate ich ab in Selbstüberschätzung ein ansich gutes Gerät zu versauen.

      Diese Kondensatoren konkret sind mit Bedacht dort verbaut worden, sie haben in der Diodenmatrix der Quellumschaltung reststromarm zu sein damit es beim Schalten nicht knackt und damit keine verzerrungsrelevante DC dem Schaltsignal überlagert. Von Blindverbau ist also keine Rede, es war zu jener Zeit das einzige - und damals als gut vermutete - Bauelement an dieser Stelle das aus dem Gesamtanspruch an Quelität und Gerätepreis sinnvoll erschien.

      Verbaut wurden sie von allen Herstellern nach bedarf, viel landeten in DUAL-Kofferplattenspieler-Verstärkern, krachen die Klangregler der beliebten schwarzen DUAL Kunstlederkoffer der P5x Serie, dann ist zu 99% so einer durch und nicht das Poti dreckig. Spätere Rx hatten dann Tantaltropfen, die laufen heute noch krachfrei.

      Billig-billig war also nicht der Beweggrund, diese Kondensatoren waren so von namhaften Herstellern unterwegs, sie gab es in der Konsumerversion (diese hier, haltbar in der normalen Lebensdauer so eines Gerätes und auch darüber hinaus) und in der wesentlich besseren aber empfindlich teuren Mil-Version, dort fanden sie sich u.a. in Abfeuerungs-Steuergeräten und die waren 100%ig nicht dafür bekannt wegen Leckagen von alleine Raketen abzufeuern, man hätte sonst davon gehört.

      Diese Versionen hier sind heute alle - unbesehen der tatsächlichen realen Gegebenheit - als Schrott anzusehen, da sie nicht garantierbar stabil genug über 40 Jahre und mehr sind.

      Achja, das sind die berüchtigten "nassen" Tantal-Kondensatoren, wegen deren langfristiger (mehr als das zehnfache der normalen Gerätelebensdauer) Massenausfälle man heute fälschlicherweise gute Tantal-Tropfenkondensatoren im Internet sinnlos verschreit und beschuldigt.

      Ersatztip - wer sich das leisten will, und beim Bastler mit Kleinstückzahlen kann man davon ausgehen das der Preis eines solchen Pfennigartikels gegenüber dem Arbeitsaufwand überhaupt garkeine Rolle spielt, der kann entsprechende MKS- oder jap. Mylar- Kondensatoren als Ersatz nehmen, sie müssen nur mechanisch und vom Formfaktor an die Stelle passen.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.
      Hallo Jogi, hallo Mitleser!

      Danke für die Aufklärung.
      Tantal, gewickelt? Bisher wusste ich nur von gesinterten Ausführungen.
      Die Stichworte "Tantal", "Nass", "Wickel" brachten bei der Googlesuche unter anderm einen Wikipediabeitrag zutage, der Jogis Aussage stützt:

      de.wikipedia.org/wiki/Tantal-Elektrolytkondensator

      Unter Abschnitt "Axiale Tantal-Elektrolytkondensatoren mit flüssigem Elektrolyten"

      sind solche nassen Tantal-Wickel-Kondensatoren beschrieben. Erwähnt ist auch der geringe Reststrom und die relativ hohe Spannungsfestigkeit.

      Untenstehend noch ein Bild von den Metallfolie-Resten des demontierten Kondensators. Sie ist relativ dick, ca. 0,1 mm. Tantal hat eine Dichte von 16,6 g/cm³ und unterscheidet sich damit deutlich von Aluminium mit 2,7 g/cm³. Ich hatte gehofft, allein daran das Material identifizieren zu können. Die Schnipsel sind aber zu klein für die Küchenwaage.
      Zweiter Versuch: Tantal ist in Natronlauge weitgehend beständig, Aluminium reagiert schon bei geringen Konzentrationen und Raumtemperatur unter Wasserstoffbildung damit. Abflussreiniger ist vorhanden. Tatsächlich, ein Stück Aluminiumfolie zeigt deutliche Zeichen einer Reaktion in Form von Bläschenbildung, das Schnipsel des Kondensatorwickels liegt dagegen unbeeindruckt in der Natronlauge.

      Falls es jemand nachmachen möchte: Natronlauge schädigt die Haut und vor allem die Augen: Einmalhandschuhe und Schutzbrille tragen. Mit Abflussreiniger ist nicht zu spaßen.


      Leider besteht die Umhüllung dieser Kondensatoren nicht aus Silber, wie in Wikipedia beschrieben. Das war WEGA dann wohl doch zu teuer.

      Beim Umschalten ist übrigens auch aktuell mit den fix mal eingebauten Alu-Elkos kein Knacken zu hören. Das Gerät bekommt trotzdem bei nächster Gelegenheit seine Wima MKS2-Kondensatoren.

      Viele Grüße,
      Christian
      Bilder
      • Metallwickel.JPG

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      Wenn jetzt Ruhe herrscht, wird das eine Weile so bleiben. Später bei nachlassender Formierung kommen zuerst kleine, aber wachsende Verzerrungen und dan Knacken und undefinierte Schaltzustände dazu.
      Ich bekam mal eine jap. Stereoanlage auf den Tisch die verzerrte wie noch was, es krachte, die Eingänge sprangen mal hierher mal dahin um, der Besitzer hatte das eine (Verzerrungen) nicht gemerkt und das andere (Schaltprobleme) stoisch mit nochmal Drücken abgehakt. Soviel zum Thema anspruchsvolle HIFI-Käufer.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.