Rechteckverhalten von HiFi-Verstärkern

      Hallo Michael,

      dieser Vorschlag (Elkos direkt an den Endstufenplatinen) war tatsächlich mal auf meinem Mist gewachsen. Damals waren mehrere Testhörer, auch ich, der Meinung das gäbe unten herum mehr "Druck" und "Sauberkeit". Allerdings war das kein direkter Vergleich und somit aus heutiger Sicht (reifer und älter) eher fragwürdig.

      In Erinnerung geblieben ist mir ein 9240s Besitzer, der nach dieser Verbesserung von mir den Ausbau der Elkos verlangte.

      Begründung: "Die schönen weichen Bässe vom SABA sind weg."

      Der Kunde ist König, also habe ich sie wieder ausgelötet und er war zufrieden.

      Gruß

      Rolf

      PS: Bei mir sind sie immer noch drin (4 *470µF, 63V, Frolyt (noch Made in GDR)).
      Hallo Rolf,

      Deine vorgeschlagene Erweiterung mit den zusätzlichen Siebelkos direkt an den Endstufenmodulen des 9241, die auch Michael so praktiziert, war in meinem Exemplar (noch) nicht nachgerüstet. Sie hätte m.E. auch keinen signifikanten Einfluß auf das Rechteckverhalten, stellt aber mehr Stromlieferfähigkeit für leistungshungrige Bassimpulse bereit. SABA hat seinerzeit nicht darauf geachtet, die Leitungen der grossen Siebelkos für die Endstufentransistoren so kurz und niederohmig, wie nur möglich zu halten (Grundig hat das zur gleichen Zeit bereits optimal gemacht: V2000, R2000, V5000, A5000). Die von Dir empfohlene kleine Ergänzung kuriert diese Schwäche.

      Kredit dafür an Dich! (Michael hatte auch geschrieben, dass dieser Vorschlag ursprünglich von Dir kam).

      In den früheren Saba 8030, 8040, 8050, 8080 und 8120 war das aber noch schlechter: ca. 30cm Klingeldraht von den Elkos bis zu den Endtransistoren, dazwischen noch Sicherungshalter, die Kontaktprobleme machen können und Sicherungseinsätze, die zusätzlichen Widerstand einfügen.

      Gruß
      Reinhard
      Hi Rolf,

      ja, ich erinnere mich, dass Du das damals auch hier geschrieben hattest mit dem Verschwinden des "weichen Basses". Klar, ist Geschmacksache. Aber Bässe bei einem Konzert in einem guten Konzertsaal sind nicht weich, sondern direkt, trocken und u.U. ziemlich hart ... und ich fand's eindeutig einen Schritt nach vorn. Man hört das z.B. recht gut bei Klavieraufnahmen (wenn diese gut sind, was einfach schwer zu realisieren ist). Wenn die Anschläge sauber und präzise rüberkommen, wofür man kurzfristig mal etwas Strom braucht, dann kann man die Notenverläufe besser verfolgen.

      Das hängt übrigens mit der klassischen Unschärferelation zusammen, ein "Tremolo" bei tiefen Tönen ist gar nicht machbar, kommt aber doch immer mal vor --- und dann kommt es auf solche Feinheiten durchaus an. Obwohl ich die Formel kannte, war mir bis vor einiger Zeit gar nicht klar, wie konkret sich das auswirkt. Aber man kann es einfach ausrechnen, wie schnell hintereinander man verschiedene Töne auseinanderhalten kann.

      Besten Gruss,

      Michael
      Hallo Zusammen,

      die ursprüngliche Idee der zusätzlichen Elkos war mal, den hohen Strombedarf bei Bassimpulsen sozusagen vor Ort zur Verfügung zu stellen.

      Inzwischen vermute ich die Ursache der Klangverbesserungen, soweit tatsächlich vorhanden, aber in der besseren Wiedergabe der zugehörigen Oberwellen. Bei hohen Frequenzen wirken sich der Widerstand und die Induktivität der Zuleitungen natürlich deutlich stärker aus, als bei langsam ansteigenden Bassfrequenzen. Die negativen Eigenschaften der Zuleitung werden durch die Elkos quasi eliminiert, der dynamische Innenwiderstand ist dann sehr gering, so dass die Endstufe dann eine hohe Slew-Rate auch umsetzen kann.

      Wie gesagt, alles Vermutungen. Irgendwann werde ich das vielleicht mal nachmessen, vielleicht lässt sich der Einfluss sogar nachweisen.

      Gute Nacht

      Rolf
      Hallo Rolf,
      da ich ja den ganzen Verstärkerzweig vom 8120 in LTSpice habe, konnte ich dafür simulieren:

      Endstufen-Versorgung +/-26 V ab Siebelkos, pro Spannungszweig 4,7mF (ESR 33mOhm) gesiebt
      a) mit einem Innenwiderstand von 0,7 Ohm pro Spannungszweig, keine Induktivität
      b) mit einem erhöhten Innenwiderstand von 1,2 Ohm und zusätzlicher Leitungs-Induktivität von 5µH pro Spannungszweig

      Rechtecksignal mit 100 Hz, Pegel am Endstufenausgang Rechtecksignal mit ca. +/12V an 4 Ohm Last --> 36W Leistung pro Kanal, +/- 4 Ampere Laststrom.

      LTSpice Simulation:
      Rechteck-Anstiegszeit und Abfallzeit 0,1µs
      Simulations-Schrittweite: 0,05µs
      Rechteckfrequenz 100 Hz

      Ergebnis:
      Keine Auswirkung auf die Anstiegszeit
      Ich sehe hier keinen Unterschied. Evtl. wirkt sich die Induktivität nicht im Bassbereich aus, sondern erst im oberen Frequenzbereich? Mit 5 µH bin ich ja schon recht hoch gegangen.



      Was meinst Du dazu?



      Nachträglich ergänzt:

      Den Bandbreiten-limitierenden Kondensator C452 in der 8120G Simulationvon 100pF auf 10pF verringert, damit ggf. Auswirkungen der Induktivität und höheren Widerstands der Stromversorgung nicht verschleiert werden.
      10kHz Rechteck simuliert, sonst wie oben mit 100Hz.

      Wieder kein Einfluss der Induktivität oder des erhöhten Serienwiderstands der Versorgung erkennbar.




      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Ich denke, das passt schon alles zusammen. Wie Rolf schrieb, wird sich der Elko eher bei Frequenzen auswirken, wo der Klingeldraht nachteilig ist --- zumal das auch noch re/li sehr unterschiedlich ist. Ein "knackigerer" Bass und praesizere Impulse, die man wahrnimmt, kommen nicht von 30 Hz, sondern eher von 100 ... 1000 Hz. Die Saba-Schaltung im 92xx ist an sich ja eine Version mit eher hoher Bandbreite, die kann m.E. mehr, als das NT bereitstellt.

      Besten Gruss,

      Michael
      Lieber Michael,

      der Saba 9241 hat eine von Saba angegebene Leistungsbandbreite von 80 kHz. Die am 9241 gemessene -3dB Bandbreite ist 70 kHz. Die Simulation ist sogar bei einer -3dB Bandbreite von 90kHz gemacht, also noch höherer Bandbreite als vom 9241. Effekte von Induktivität und Widerstand lassen sich einwandfrei in LTSpice simulieren, da gibt es keine "Unbekannten", sofern wir die Versorgungsleitung alleine betrachten und keine Auswirkungen auf Signalleitungen u. sonstiges. Gäbe es den frequenzabhängigen Einfluss der mit einer Induktivität behafteten Zuleitung, so wäre das spätestens beim 10kHz Rechteck erkennbar, denn es "enthält" ungeradzahlige Oberwellen von 90 kHz und mehr (10 kHz, und Oberwellen 30, 50, 70, 90,... kHz. Es ist aber kein Einfluß von 5µH Induktivität oder 0,5 Ohm Widerstand vorhanden (der Klingeldraht, ca 10-15 cm lang + 10 cm Leiterbahn haben weit weniger Induktivität und Widerstand als die simulierte Situation. Wohlgemerkt, Induktivität der Leitung selbst. Ich spreche hier nicht von (induktiver) Kopplung auf eine benachbarte andere Leitung, wie eine NF-Signalzuführung oder Signalmasse.

      Eine 30cm lange Kupferleitung mit 0,5mm Durchmesser hat eine Induktivität von gerade mal 0,5µH. Eine Doppelleitung gleicher Länge mit 1mm Abstand hat weniger als 0,2µH.
      Die Annahme, dass Induktivität der Versorgungsleitung alleine dadurch Einfluss hat, passt damit aber noch nicht zusammen, wenn noch nicht einmal 5µH einen Einfluss bis 90 kHz haben.

      Was aber ggf. Einfluss haben kann:
      Wenn induktive Kopplung zwischen den DC-Versorgungsleitungen (von den Elkos) und der NF-Signalleitung zu den Endstufen stattfindet. Das ist per se beim 9241 nicht auszuschliessen, da alle Leitungen zu den Endstufenmodulen gemeinsam in dem engen transparenten Schlauch zusammengepfercht sind. Ist dort nicht gut gelöst. In dem Fall stellen die nachträglich angebrachten Elkos einen Zusatzpuffer dar, der diesen Einfluß vermindern kann.

      Eine andere mögliche Ursache ist eine ungünstige Masseführung der Masse der Endstufenversorgung von den Elkos und der Masse der NF-Eingangsleitungen. Wenn die sich gegenseitig beeinflussen, wäre eine Verschlechterung möglich. Auch das könnte durch die Zusatzelkos direkt an der Endstufenplatte adressiert werden.

      Das ist auch hier zusammengefasst:
      allaboutcircuits.com/technical…tion-in-audio-amplifiers/

      Zitat:
      Induction Distortion
      This type of distortion is caused by an inductive effect between the
      DC supply and the input and feedback paths. It can be minimized by
      reducing the ways the supply and input/feedback paths can interfere with
      each other, i.e., keeping the loop area of the input and feedback
      signals as small as possible and physically separating the supply and
      input/feedback circuitry as much as possible.

      Rail Decoupling Distortion
      Decoupling capacitors on the power rails are always a necessity, but
      if the current return path (i.e., ground) of these capacitors is shared
      with the input or feedback circuitry, then the harmonic content of the
      power supply rails will be introduced to the signal. This type of
      distortion has an easy fix of keeping the current return path of the
      decoupling capacitors separate.


      Lieben Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Da wirst Du recht haben, Reinhard -- diese ungeschickten engen Buendel, und auch noch von sehr verschiedener Laenge, wird man nicht realistisch in die Simuation einbeziehen koennen. Die Massefuehrung ist mehr als unguenstig -- die ist teilweise Mist. Auch ein Punkt, den m.W. Rolf mal beschrieben hat. Ich habe damals seinen Vorschlag einmal umgesetzt, dabei dann deutlich weniger Brumm gehabt, aber auch immer noch nicht voellig brummfrei ... da ist also wohl noch Luft ...

      Michael
      Ja, doch, das kann man in der Simulation leicht erfassen, zumindest qualitativ. Ich muss ja nur der NF-Zuleitung zur Treiber/Endstufe eine Induktivität zuordnen und auch der Masseleitung von den grossen Siebelkos zur Endstufe und dann diese beiden Induktivitäten über ein Kommando (Direktive) in LTSpice koppeln.

      Ich habe das mal gemacht
      a) für je eine Induktivität auf NF-Leitung und Masseleitung von 2µH und Kopplungsfaktor 0,1
      b) für je eine Induktivität auf NF-Leitung und Masseleitung von 1µH und Kopplungsfaktor 0,2

      Beides, a) und b), gibt das gleiche Resultat:
      Die Rechteckwiedergabe bekommt dadurch Überschwinger. Das verträgt sich mit der Aussage, das die Impulswiedergabe dem Hörer "weicher" erscheint.








      Dieser Effekt ist also schon relevant.
      Bandbreitenbegrenzung reduziert die Überschwinger-Amplitude.

      Bei stärker isolierten Pulsen sieht man dann ein "Nachschwingen". Hier für einen 10µs Puls ohne und für verschieden starke induktive Kopplung der Endstufenmasse mit dem NF-Eingang der Treiber-/Endstufe:








      Der letzte heftige Fall ist das Resultat starker induktiver Kopplung. Die ist hier etwas übertrieben, um den Effekt ganz deutlich zu machen. Das Nachschwingen ist also hier ein ähnlicher Effekt, wie bei niedrigem Dämpfungsfaktor: "weiche Bässe".


      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      sehr interessant -- das sollte dann JEDER Entwickler kennen ... nur eine Sache ist mir noch nicht klar: die Überschwinger bringen doch Oberwellen ins Spiel, wieso soll es dann weicher klingen, und nicht härter ?

      Besten Gruss,

      Michael

      p.s.: was ergibt sich denn nun, wenn man in dieser Situation diese zus. Elkos in die Schaltung einsetzt ? Kann die
      Simulation deren (vermuteten) Einfluss bestätigen ?
      Der Rechteckpuls ist ja an sich nicht weich, sondern sehr hart, härter geht kaum noch. Den machen auch noch mehr Oberwellen nicht weich. Aber grundsätzlich macht Nachschwingen den Bass weich (sagen die Liebhaber) oder schwammig (sagt die Gegenfraktion), beide meinen das gleiche nur die Vorlieben sind verschieden. Wer Musik gern unverfäscht hört (statt "schön") liebt es in diesem Fall eher straff als schwammig-weich.

      Der Strom durch die Lautsprecher fließt auch durch die grossen Siebelkos der Endstufen-Rail-Versorgung. Wenn ein zweites Paar Elkos an anderer Stelle zusätzlich angebracht werden, eröffnet das einen zweiten, parallelen Strompfad, d.h. auch der Strom durch den ersten Pfad wird durch die Aufteilung vermindert. Unter günstigen Umständen könnte das induktive Beeinflussung, wenn die dann nicht mehr längs des Stromweges des zweiten Elkopaars liegt, vermindern (Induktionswirkung vermindert sich mit weniger Stromstärkeänderung durch fen induzierenden Leiter). So wie man durch eine separate weitere Masseverbindung auch ggf. Störung einer Brummschleife vermindern kann. Simulieren kann ich den Einfluss zusätzlicher Elkos nicht so einfach.

      Selbst wenn ich ein spektral reines Sinus-Signal untersuche, wird bei induktiver Kopplung auf den NF-Eingang der Klirrfaktor deutlich erhöht. Je steiler der Signalanstieg (dI/dt) ist, um so stärker ist die induktive Wirkung. Also wird ein Sinus dann bei höherer Frequenz und grösserem Pegel stärker verzerrt als bei niedriger Frequenz und kleinem Pegel. Die stärkste induktive Wirkung hat man naturgemäss bei kurzen Impulsen, die eine hohe Anstiegsrate oder Abfallrate (A/µs) haben.

      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Ich hatte es etwas anders gemacht, mit nur einer induktiven Kopplung, nämlich die Lautsprecher-"Rückleitung" mit der gemeinsamen Masseleitung zu den beiden regulären Siebelkos der + und - Versorgung an den NF-Eingang induktiv gekoppelt. Aber, so wie Du schreibst kann ich das auch machen, der Effekt ist wie zu erwarten ähnlich. Und ja, dann nehmen die an den Endstufen direkt angebrachten Zusatzelkos die Nachschwingungen effektiv weg, ohne sonst das Signal zu beeinflussen.

      Ich habe das erst ohne die Zusatzelkos simuliert, Impuls gibt bei induktiver Kopplung des DC Ausgangs von den Siebelkos mit dem NF-Eingang der End-/Treiberstufe Nachschwingungen:




      Mit je einem zusätzlich angebrachten 470µF Elko an den beiden (+/-) DC-Versorgungsleitungen, hinter der induktiven Wechselwirkung, ist die Nachschwingung verschwunden. Damit wieder sauberes Signal:




      Wenn ich in der Simulation wie jetzt hier sowohl eine induktive Kopplung des positiven DC Zweigs und des negativen DC-Zweigs mit dem NF-Eingang mache, wird die Endstufe ohne die Zusatzelkos sehr schwingfreudig. Sie wird dann sozusagen, wie eine Schaukel von beiden Richtungen "angeschubst". Ich habe deshalb Induktivität und Kopplungsfaktor reduzieren müssen, um im stabilen Bereich zu bleiben. D.h., dass die Zusatzelkos direkt an den Endstufenmodulen auch wirksam gegen vorzeitigen Endtransistortod aufgrund von Schwingungen sein können.


      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Toll -- damit haben dank Deiner Mühe jetzt eine plausible Hypothese, was da passiert -- und warum diese Ergänzung
      sinnvoll ist, wenn man ein sauberes Signal übertragen will. Super !

      Schönen Abend noch,

      Michael

      p.s.: Jeder Entwickler weiss natürlich, dass eine lokal stabile Stromversorgung enorm wichtig ist. Das werden auch die Ingenieure bei Saba gewusst haben --- aber manchmal ist so eine Entstehungsgeschichte eben vielstufig, und immer mehr Funktionen und Module kommen dazu, und dann macht man Kompromisse, auch aus Kostengründen.

      Es gibt da übrigens wie erwähnt noch diese Asymmetrie, dass der linke Kanal kurz an seine Elkos angebunden ist --- man kann bei einer Revision durch Kürzen der Drähte auf ca. 10 cm kommen. Der rechte Kanal hat's viel schwerer: Hier liegen erst einmal gut 10 cm Draht auf der Platine, und dann geht's in dem Schlauch nochmal mit gut 15 cm weiter, von einigen Leiterbahnen ganz zu schweigen. Hier mache ich zweierlei: Zunächst löte ich zu den 4 Leitungen auf der Hauptplatine an deren Unterseite 4 Kabelstücke parallel an, so dass bis zum Schlauch der Widerstand klein ist. Die Drähte im Schlauch werden dann einige cm gekürzt -- dazu ist locker genug Luft. Die Asymmetrie ist dadurch nicht weg, aber grob halbiert.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „kugel-balu“ ()

      Rolf hatte an dieser Stelle weiter oben geschrieben:

      "Durch die Verringerung der Bandbreite des Frequenzganges bei großen Leistungen können keine TIM-Verzerrungen auftreten."

      Das hat mich dazu veranlasst, die TIM-Verzerrungen des Saba Hifi-Studio 8120 (G) zu messen.


      TIM steht hier für "dynamische Intermodulationsverzerrungen". Wohl erstmals ist dieser Typ von Verzerrungen und dessen Messung von Eero Leinonen, Matti Otala und John Curl beschrieben worden (55th Convention of the Audio Engineering Society, New York, 30th October 1976, Journal of The Audio Engineering Society, April 1977, Vol. 25, No. 4, Seiten 170-177; http://hifisonix.com/wordpress/wp-content/uploads/2010/10/Measuring-TIM.pdf.pdf).

      Spätestens seit Ende der 70iger Jahre (aber noch nicht bei der Konstruktion der Serien SABA Fifi Stereo Studio 8030, 8040, 8050, 8080 und 8120) wurden solche Messungen in grösserem Umfang eingesetzt um nichtlineare Verzerrungen bei HiFi-Verstärkern zu charakterisieren. Es hat sich gezeigt, daß harmonische, statische Verzerrungen (total harmonic distortion, Klirrfaktor) nicht genügen, um ein Gesamtbild der Verzerrungsprodukte eines Verstärkers / NF-Stufe zu geben. So ist zunächst die Messung statischer Intermodulationsverzerrungen (IMD, intermodulation distortion) mit dem 2-Tonverfahren hinzugekommen, und eben nach der Arbeit von Otala und Mitarbeitern auch die Messung von dynamischen Intermodulationsverzerrungen.

      Das Testsignal besteht aus einer Mischung eines 3,15 kHz Rechtecksignals (Frequenz f1) und eines verzerrungsarmen 15kHz Sinus-Signals (Frequenz f2) im Amplituden-Verhältnis 4:1. Das Rechtecksignal ist mit einem 30kHz oder 100kHz Tiefpass gefiltert. Bei meiner Messung sorgt die Messanordnung für eine 90 kHz Begrenzung.

      Das aus den beiden Frequenzen f1 und f2 und deren statischen Mischprodukten bestehenden resultierenden FFT (Software: ARTA) ohne Verzerrungsprodukte zeigt im Frequenzbereich bis 20 kHz insbesonder diese Signale:

      f1 3,15 kHz
      (2f1 6,30 kHz)
      3f1 9,45 kHz
      (4f1 12,60 kHz)
      f2 15,00 kHz
      5f1 15,75 kHz
      (6f1 18,90 kHz)





      Dynamische Intermodulationsprodukte, die ein Verstärker hinzufügen kann und die für die Bestimmung von TIM (%) ausgewertet werden, sind:

      f2-5f1 0,75 kHz
      f2-4f1 2,40 kHz
      f2-6f1 3,90 kHz
      f2-3f1 5,55 kHz
      f2-7f1 7,05 kHz
      f2-2f1 8,70 kHz
      f2-8f1 10,20 kHz
      f2-f1 11,85 kHz
      f2-9f1 13,35 kHz

      Bei Verwendung des 15 kHz Sinus in der Mischung mit dem 3,15kHz Rechtecksignal werden nur die genannten 9 Intermodulationsprodukte ausgewertet. Der rms (root mean square) Wert (in V) dieser neun Intermodulationssignale wird ermittelt und ins Verhältnis zum Amplitudenwert des 15 kHz Sinus-Signals gesetzt. Das Ergebnis (TIM-Verzerrungen) wird in % angegeben. Im Detail: Die Pegel der gelisteten neun Intermodulationsfrequenzen werden zunächst quadriert, die Quadrate summiert und aus der Summe wird die Wurzel gezogen. Der erhaltene Wert mit dem Faktor 100 multipliziert und durch den Pegel des 15 kHz Sinus-Signals dividiert. Das Ergebnis ist direkt die TIM-verzerrung in %.

      Für das Saba Hifi-Studio 8120 (G) bei 30W an 4 Ohm wird experimentell dieses FFT der Spektralkomponenten im Bereich bis 20 kHz erhalten:




      Die Auswertung ergibt 0,11% TIM Verzerrungen. Im anderen Kanal: 0,09% TIM Verzerrungen.

      Diese Werte sind gut, insbesondere, wenn man berücksichtigt, daß es sich hier um ein Gerät von 1970 handelt, also lange bevor die Messung von TIM (DIM) überhaupt bekannt war.
      Rolf hat also recht gehabt! Die TIM-Verzerrungen sind niedrig.


      Aus Interesse habe ich auch untersucht, welchen Wert an %TIM-Verzerrungen das Simulations-Modell des Saba 8120 (G) in LTSpice bei 30W an 4 Ohm liefert. Das daraus erhaltene (simulierte) Spektrum sieht sehr ähnlich wie das gemessene aus. Die TIM-Verzerrung in der Simulation ist etwas höher als die gemessene, nämlich 0,19% 0,15% (editiert am 20.10.2018, aufgrund einer Simulation mit grösserer sample size). Dennoch immer noch eine respektable Übereinstimmung!




      Danke an Andreas, Michael und Rolf für die fruchtbare Kommunikation und Eure eingebrachten Ideen und Vorschläge!


      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 8 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Lieber Reinhard,

      Dir vielen Dank für Deine Mühen und Rechnungen -- sie haben viele Dinge aufgezeigt, die Spannweite von Theorie über Simulation bis zur Messung war beindruckend, und jeder kann sehen (und nachlesen), wie alles zusammenpasst. Ein netter kanadischer Kollege von mir meinte einmal:
      "In theory, theory and practice are the same; in practice, they are not"
      Hier sehen wir, dass es doch zur Konvergenz kommen kann, und nur dann ist's wirklich gut !

      Besten Gruss,

      Michael
      Hallo Forenfreunde,

      ich habe die LTSpice Simulation für die TIM-Verzerrungen beim Saba 8120 (G) nochmal mit grösserer Datenbasis wiederholt (Simulation länger laufen lassen). Damit wird die Übereinstimmung mit der Messung noch besser: 0,15% TIM Verzerrungen in der Simulation, 0,11% gemessen. Ich habe das oben nachträglich entsprechend aktualisiert.


      Lieber Michael,
      Deine richtigen Fragen und die Anmerkungen von Rolf und Andreas haben wesentlich dazu beigetragen, daß Licht in die Sache gekommen ist. Dadurch kommt der Anreiz, tiefer zu bohren.

      Gruß
      Reinhard
      Danke für dieses gut gelungene Thema!

      Manch Leser wird sagen, das Thema ist abgehoben, da sind mal wieder die Profis unter sich.
      Das Fachwissen unserer Mitglieder ist unterschiedlich, Laie über Meister bis Entwickler.
      Allen Lesern soll was geboten werden, ist auch hier der Fall, obwohl Fachwissen.
      Die Herangehensweise bei Simulation und Messung ist beschrieben.
      Auch die Auswertung der Ergebnisse kommt nicht zu kurz, wird hinterfragt.
      Und auch dem Laien wird viel geboten, Messergebnisse ähnlich wie in einer HIFI-Zeitschrift.

      Kurz was zu Theorie (Simulation) und Praxis.
      Gerade jüngere Studenten neigen dazu, alles simulieren zu wollen, glauben an den Simulator.
      Heutige Simulatoren Spice sind meist recht gut.
      Es liegt aber am Anwender, so einen Simulator auch richtig zu füttern!
      Einfach nur Schaltplan eingeben reicht nicht, man muss auch parasitäre Effekte berücksichtigen.
      Sehr hat mich erfreut, als hier z.B. die eventuell störende Induktivität der Zuleitung berücksichtigt wurde.

      Andreas
      Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
      Hallo die Herrschaften,

      jetzt erst auf den Thread aufmerksam geworden, mit großem Interesse gelesen, bin begeistert!
      Was die induktive Kopplung zwischen Signalzuführung und DC-Rückleitung betrifft, das müsste ja schon durch eine geänderte Leitungsführung bzw. eine abgeschirmte Leitung zu elimieren sein. Die beiden zusätzlichen Elkos auf der Endstufenplatine werden dadurch ja keineswegs überflüssig.

      Bei der Gelegenheit: Hat eigentlich mal jemand die vielen Erkenntnisgewinne in den zahlreichen 924x-Threads in einer To-do-Übersicht zusammengefasst?

      Vielen Dank für das spannende Thema und beste Grüße
      Stefan
      Hi Stefan,

      das ist so eine Sache mit den ToDo's ... wenn Du mal in die diversen Threads reinschaust, so wirst Du feststellen, dass einige Vorschlaege recht kontrovers diskutiert wurden. Auch die Frage, wo man ggf. Elkos sinnvoll aendern oder ergaenzen kann. Was die Stuetzelkos auf den Endstufenplatinen betrifft, ist hier ja jetzt wohl der Beleg erbracht, was dies "bringt" und warum das generell sinnvoll ist. Dennoch werden einige Verfechter auch sagen, dass dies eine Aenderung darstellt, die man nicht machen soll ...

      Fazit: So eine Liste ist kaum konsensfaehig, es sei denn, Reinhard geht jetzt alle Punkt so akribisch durch ... ;-). Bis dahin gibt's in Papierform die Ratgeber von Kurt und Thommy, die wohl die meisten Tipps enthalten (und weitere). Leider dann nicht umsonst ...

      Besten Gruss,

      Michael