Körting "Low-Fi" 1968-1970

      Hallo Stefan,

      zum Willen, eine Hürde zu nehmen, gehört auch Hartnäckigkeit, volle Zustimmung! Dazu kam aber - ganz wesentlich für den Erfolg - die Hilfe hier aus dem Forum.

      Zu den AD166
      In meinem waren ja stattdessen AL102 verbaut. Inzwischen habe ich die auch bei anderen Körting Geräten gesehen, bei denen AD166 im Schaltplan angegeben waren. Also wohl von Körting hier als Equivalente verwendet.
      Ich denke wie Du, dass Körting grossen Vorrat von AD166 gehabt oder günstig einkaufen konnte, denn die Verstärker und Receiver mit dieser Schaltung wurden noch bis 1969/1970 in Grassau gefertigt (die meisten 1968/69), zu einer Zeit also, als sonst kein anderer Hersteller mehr AD166 einsetzte.

      Ich hatte ja schon geschrieben, dass die Körting Treiberübertrager-Schaltung mit Ge-Endstufen 1968 bereits total veraltet war, das war Stand von 1963-66. Grundig SV50 (1963/64) hatte anfangs eine ähnliche Ge-Schaltung mit Treiberübertrager und auch Philips GH925, Fisher 440T, HEATHKIT AR13A - aber nicht mehr 1968.

      Allen diesen Treiber-Übertrager-Schaltungen scheint gemeinsam zu sein, dass die Verstärker relativ hohe Intermodulation (250:8000 Hz, 4:1) von (bestenfalls) ca. 1% bei Nennleistung zeigen, selbst bei einem Klirrfaktor von < 0,2%. Im Körtingfall habe ich die Beobachtung gemacht, dass es bei einer 13:14 kHz 1:1 Intermodulationsmessung einen sehr niedriger IM-Wert (0,1%) gibt. Also sehr stark vom Messverfahren abhängig!

      Die Erklärung, woher der Unterschied im Ergebnis dieser Messverfahren kommt, ist interessant und wurde von Rod Elliott kürzlich gegeben:
      https://sound-au.com/articles/intermodulation.htm#m-b
      sound-au.com/articles/intermodulation2.htm

      Die folgenden von Körting 1967-1969 produzierten Geräte haben alle die gleiche AD166 bzw. AD167 (oder mit AL102 Ersatztyp) Verstärkerschaltung
      - alle für Neckermann produzierten Verstärker und Stereo-Receiver von 1967 bis 1969
      sowie/einschliesslich:
      Körting Stereo 1000
      Körting Stereo 1000 L
      Siemens Klangmeister RS91
      Siemens Klangmeister RS11
      ELAC Receiver 2000T
      ELAC Receiver 3100
      ELAC Receiver 3200T
      ELAC Receiver 3300T

      Mit übertragerloser Schaltung aber ebenfalls Ge-Endstufen, hergestellt von Körting:
      ELAC Receiver 2300T (gemischte Bestückung AD167/2N3055)

      Wenn auch die Stückzahlen für ELAC und Siemens vermutlich nicht sehr gross waren, kam doch wohl insgesamt zusammen mit den Geräten für Neckermann und den Körting Eigenmarken dieser Geräte für das europäische Ausland (Transmare, Telemonde, usw.) eine erkleckliche Zahl zustande. Und fast immer dieselbe Schaltung mit AD166 bzw. AD167 oder AL102 bzw. AL103.

      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Lieber Michael,

      Kataloge habe ich leider nicht mehr, auch keine Prospekte.

      Ab etwa 1967 hat mich das interessiert. Ab dieser Zeit habe ich mir die Nase an den Schaufensterscheiben plattgedrückt und Prospekte gelesen. Einiges ist im Gedächtnis geblieben, muss dann mit Google-Hilfe wieder ins Vorderstübchen geholt werden. Auch sonst ist bei mir oft Google Suche angesagt.

      Für den US-Markt sind die Magazine High Fidelity, Audio und Stereo Review inzwischen online einsehbar. Da gab es ja immer von ausgewählten Geräten Beschreibungen und Tests sowie viele Werbeinserate. Inzwischen sind ja auch viele Schaltpläne im Web zu finden.

      Vom englischen, französischen und italienischen Markt weiss ich aber leider immer noch so gut wie nichts.

      Gruß
      Reinhard
      @ Reinhard:
      Der Klangmeister RS 10 ist identisch mit dem Blaupunkt Bilbao Stereo Serie Z, Typ 7,628,550, Jg. 68-69
      Der Klangmeister RS 12 ist ein Blaupunkt STG 1291, Jg 69/70.

      @ Michael:
      Praktisch sind die Jahres-Handbücher des VDRG, im Hifi-Bereich natürlich noch die High-Fidelity-Jahrbücher aus dem Verlag G.Braun Karlsruhe.
      Und natürlich die alten Prospekte, die ja heute in riesiger Menge offen zugänglich sind auf der privaten Website hifi-archiv.info/
      Und Tante google natürlich.

      VG Stefan
      Aber wo wir gerade bei deutschen Endstufen der Spätsechziger sind: Anbei die Nf-Schaltung des Loewe ST 240. Mag mir jemand die Endstufe erklären? Ich habe sie betrachtet und bin zu dem einzigen Schluss gekommen, dass ich Ruhestrom bisher total überbewertet habe...

      VG Stefan
      Bilder
      • Endstufe Loewe ST 240.jpg

        192,48 kB, 799×1.794, 32 mal angesehen
      @ Stefan,

      Und ja, Du hast recht, der Klangmeister RS12 hat ein Blaupunkt Schaltbild, genauso wie der RS10.
      Habe das oben berichtigt.

      Zum Schaltbild Loewe ST 240:
      Der AD150 spricht "Ich bin ein AD150, ich brauche keinen Ruhestrom!" 8o

      Spass beiseite, das muss ein Fehler im Schaltbild sein. Und zwar ist ein Anschluss des 220 Ohm Widerstands R528 (R578) falsch eingezeichnet und in der Verbindung der Basen der End-Transistoren T506 und T507 wurde ein Widerstand (NTC) oder eine Diode vergessen.

      Ich sehe diese beiden Optionen:

      Option 1:
      R528 (220 Ohm) muss von der Basis von T507 nach Masse (statt auf den Ausgang) und in die Verbindung der Basen von T506 und T507 gehört noch eine Si-Diode (bzw. Si-Diode und Widerstand in Reihe, ggf. dazu parallel einen NTC zur thermischen Kompensation, oder Diode und NTC in Reihe), dann gehts! Damit haben beide Endtransistoren ihren Ruhestrom. Wie im ersten der beiden weiter unten gezeigten Beispiele.

      Option 2:
      Es geht auch, wenn R528 von der Basis von T507 zwar auf den Ausgang geht, aber erst NACH dem Ausgangskoppelelko, nicht davor und in der Verbindung der Basen von T506 und T507 noch ein Widerstand (oder NTC zur gleichzeitigen thermischen Kompensation) von ca. 6,8 Ohm liegt (siehe unten: Blaupunkt-Beispiel).
      Ich tippe, dass die reale Schaltung der Option 2 entspricht.


      Ist ja ähnlich wie bei diesen Beispielen:






      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 11 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Hallo Forenfreunde,

      noch einmal zurück zum Körting Low-Fi Stereo-Verstärker.


      Ich hatte ja berichtet, dass Stabilität der endgültigen Schaltung für den Umbaus auf Si-Endtransistoren im Kapazitätsbereich von 1000pF bis 1500pF der Gegenkopplung gegeben ist. Nicht mehr stabil war der Verstärker mit 470pF und darunter sowie mit 2000 pF und mehr. Den Gegenkopplungskondensator habe ich im Schaltplan mit rotem Kreis markiert, so dass besser erkennbar ist, worum es hier geht:




      Ich hatte mich für 1500 pF entschieden, da der Klirrfaktor bei hohen Frequenzen damit etwas besser sein sollte. Die Bandbreite (Leistungsbandbreite) ist allerdings mit 1500 pF gegenüber 1000 pF kleiner, da ja höhere Frequenzen bei grösserer Kapazität stärker gegengekoppelt werden. Grössere Bandbreite zeigt sich u.a. in besserer Rechteckwiedergabe von 10 kHz und 20 kHz Rechtecksignalen, die eine schnelle Anstiegsrate (slew rate) der Ausgangsspannung verlangen.

      Die Anstiegsrate (SR in V/µs) ist zur Bandbreite proportional nach der Näherung

      SR = 2Pi x Amplitude (V) x Grenzfrequenz (Hz)

      Mit 1500 pF Gegenkopplungskapazität hatte ich eine Anstiegsrate von 1,0 V/µs gemessen und eine Grenzfrequenz von 36 kHz.


      Nach der "endgültigen" Version gibt es nun die "endgültig endgültige":
      Ich habe nämlich die Gegenkopplungskapazität noch auf 1000 pF verringert, da ich nicht sicher war, ob die zunächst gewählten 1500 pF wirklich die beste Wahl war. Denn auch Körting hatte in der ersten Serie 1000 pF und damit einen hervorragend linearen Frequenzgang (+/- 1 dB) bis weit über 20 kHz. Ich hatte mit 1500 pF die Linearität ja auf 20 kHz begrenzt.

      Jetzt also mit 1000 pF - was ist damit gleich und was anders?

      Mit 1000 pF war eine Verschlechterung gegenüber 1500 pF praktisch nicht feststellbar für:
      • Stabilität
      • Klirrfaktor (bis 20 kHz)
      • Intermodulation (IMD und DIM)
      Damit entfällt der Grund, warum, ich mich zunächst für 1500 pF entschieden hatte.


      Der Vorteil mit 1000 pF war allerdings:
      • Frequenzgang linear (-1 dB) bis 40 kHz, Anstiegsrate (gemessen): 2,1 V/µs
      • Besseres Rechteckverhalten bei 10 kHz und 20 kHz (als Folge der grösseren Bandbreite)

      Das heisst, es gibt noch diese allerallerletzte Schaltungsänderung der Gegenkopplungskapazität auf 1000 pF.

      Das Ergebnis des Rechtecktests erklärt sich selbst. Ist besser mit 1000 pF, wie erwartet.




      Die Simulation der Schleifenverstärkung mit 1000 pF lässt auch keine Sorgenfalten aufkommen. Die Phasenreserve beim kritischen 0 dB Punkt beträgt 55°und im MHz-Bereich ist die Schleifenverstärkung ausreichend abgesenkt, so dass es nicht zu Schwingungen kommen kann.





      Das war's jetzt zum Körting Low-Fi Verstärker- wirklich. Es sei denn, Ihr hättet noch Fragen. :D


      Gruß
      Reinhard

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Lieber Michael,

      vor etwa 10 Jahren konnte ich den Unterschied zwischen ZF-Bandbreite narrow und wide noch klar hören, heute nicht mehr. Ich höre kaum noch den Unterschied, wenn ich ein Höhenfilter, das bei etwa 6 kHz einsetzt, einschalte. Mein Hörvermögen wird also nicht ausreichen, um solche Feinheiten, die sowieso an der Grenze des besten Hörvermögens (oder darüber hinaus) liegen, raushören zu können.

      Ob man den Unterschied zwischen Grenzfrequenz (-1 dB) 20 kHz und 40 kHz überhaupt hören kann? Ich bin diesbezüglich nicht so optimistisch. Ausserdem muss man berücksichtigen, dass die Qualität der Wiedergabe von der Eigenschaft mit der grössten Schwäche limitiert wird, das ist hier die Intermodulation, die auch bei nur normaler Hörlautstärke bei etwa 0,4% für dieses Gerät liegt (0,8% bei Nennleistung von 10 W) . Intermodulation verschlechtert die Ortbarkeit der Instrumente, die "Feinzeichnung" und "Auflösung" (das sind Geschwurbel-Begriffe, aber ich kenne dafür keine bessere Beschreibung). Deshalb immer noch low-Fi und nicht HiFi (auch wenn DIN 45500 sogar übertroffen wird).

      Ich sehe die grössere Bandbreite auch als Verbesserung - aber rein technische Sicht. Ein Hörversuch meinerseits würde das vermutlich subjektiv bestätigen - schon deshalb, weil ich viel Zeit darin investiert habe und die Messungen den technischen Fortschritt zeigen. Dann ist neutrale Beurteilung schon nicht mehr möglich. Ein Blindversuch wäre unbedingt erforderlich, den kann ich für mich selbst ja nicht machen, selbst wenn ich noch gut genug hören könnte.

      Also kurz gesagt: Ich kann's messen - aber hören müssen's andere. ;)

      Die Ironie ist, dass sich die junge Generation, die ja noch exzellent hört, mit dem Gequäke aus dem Smartphone zufrieden gibt. Dafür sind die neue "Muss-Kriterien heute Streaming, Internet, DAB+ (kommt), das alles aus Mini-Lautsprechern in Telefonqualität. Versatilität ist das Thema, d.h. Quantität vor Qualität. Da muss ich mit "Intermodulation" gar nicht kommen.

      Gruß
      Reinhard


      PS:
      In den Schaltungs-Büchern von Valvo, Siemens, ITT u.a. aus den 1960iger Jahren bis noch 1970/71 - also der Zeitraum, in den der Körting Verstärker zu stellen ist - findet man bei den Transistor-Schaltungsbeispielen für NF-Verstärker und HiFi Verstärker die technischen Daten zu den Schaltungen, die seinerzeit als wesentlich galten. Das waren Leistung, Frequenzgang, Klirrfaktor. Interessanterweise gehörte die Angabe der Intermodulation noch nicht dazu. Dabei beeinflusst Intermodulation den Klang ebenso stark wie der Klirrfaktor.

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „oldiefan“ ()

      Ehrlich gesagt würde ich erwarten, dass man die bessere Anstiegsgeschwindigkeit wahrnehmen sollte. Das sind Dinge, die man bei Impulsen durchaus wahrnehmen kann. Und die höhere Bandbreite wirkt sich u.U. durch klarere Mitten und Höhen aus, was man z.B. bei einem Chor durch bessere Durchhörbarkeit bemerken kann. Die fehlende Oktave durch das kleine Höhenfilter spielt da viel weniger eine Rolle, als man meinen sollte ...

      Besten Gruss,

      Michael

      Klarzeichner schrieb:

      Aber wo wir gerade bei deutschen Endstufen der Spätsechziger sind: Anbei die Nf-Schaltung des Loewe ST 240. Mag mir jemand die Endstufe erklären? Ich habe sie betrachtet und bin zu dem einzigen Schluss gekommen, dass ich Ruhestrom bisher total überbewertet habe...

      VG Stefan


      Hallo Stefan, hallo zusammen,

      die Schaltung funktioniert. So wie abgedruckt. Mit den bekanntermaßen ungenauen Modellen von AC127 und AC128 als Ge-Transistoren berechnet die Simulation ein THD unter 0,9%. mit erstaunlich kleinen Übergangsverzerrungen. Aber ich habe das eher unorthodoxe Schaltungsdesign noch nicht komplett nachvollziehen können. Nur soviel: Ohne Eingangssignal fließen durch T505 und T506 ca. 6-8 mA Ruhestrom. Ihre jeweiligen Komplementäre sind komplett gesperrt. Bei sehr geringer Aussteuerung bleibt das so, T505 und T506 übernehmen die Arbeit und schwanken nur um ihre Ruhelage. T507, der AD150 kommt ab ca. 15 mV_Spitze Ausgangsspannung ins Spiel. T513 (Korrekt: T504) hingegen nimmt erst an der Verstärkung teil, wenn das Ausgangssignal 1,5 V überschreitet.
      Nun könnte man denken, mit Si-Transistoren und ihren wesentlich höheren Ube-Werten arbeitet die Schaltung unsauber aufgrund von größeren Übernahmeverzerrungen. Weit gefehlt. Sie funtioniert in der Simulation tadellos mit Si-Transistoren, ebenfalls mit erstaunlich niedrigem Klirrfaktor. Bei höheren Frequenzen verringert sich der Klirr beträchtlich durch die schnelleren Transistoren.

      Das Bild zeigt die Ströme der Ausgangstransistoren (hier Si, MJ15003/MJ15004) bei 20 kHz und ca. 1 W Ausgangsleistung.

      Viele Grüße,
      Christian
      Bilder
      • LoeweST240_Aus.JPG

        46,98 kB, 761×518, 11 mal angesehen
      **************************************************
      2 + 2 = 5 (für extrem große Werte von 2)

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „chriss_69“ ()

      Ich bin auch platt. Danke für die Mühe, Christian! Also arbeitet bei sehr kleinem Signal nur der Zweig T505, 506 sozusagen im Eintakt, du sagst um die MIttellage, also ein A-Arbeitspunkt im kleinen Rahmen. T 507 übernimmt dann erst "seine" Halbwellen wenn sie 15mV überschreiten. Okay. Mit T513 meinst du offenbar den T504.

      Übrigens, deine Simulation dürfte auf den echten ST 240 halbwegs zutreffen, denn tatsächlich IST der T 506 (2N5034) ein Siliziumtyp. Auch das noch! Das sowas funktioniert, ts ts ts...

      VG Stefan
      Hallo Reinhard,
      stimmt, aber diese hier haben wenigstens eine normale Vorspannung Ube. Allerdings offenbar ohne Temperaturkompensation.
      Bemerkenswert auch, wieviele Entwickler eisern an der einfachen Betriebsspannung mit Elko im Lautsprecher-Ausgang festgehaltenen haben. Selbst die konservativen Sabanesen hatten bei Studio I und II schon symmetische Ub.

      VG Stefan
      Hallo zusammen,

      die Loewe-Schaltung zu verstehen ist eine echte Knobelaufgabe. Ein paar Dinge habe ich umgezeichnet, das erleichtert mir das Denken. Die Spannungswerte des jeweiligen Knotens sind in den rot umrandeten Boxen dargestellt.



      Soweit blicke ich das jetzt: Noch einfach, die erste Stufe um T502 ist eine Emitterschaltung mit lokaler Spannungsrückkopplung. Die nächste Stufe mit T503, per Elko C511 angekoppelt, verstärkt das Signal nochmals spannungsmäßig, so dass es ungefähr Ausgangspegel erhält. Als Arbeitswiderstände dienen die beiden 2k2-Widerstände R522 und R523 in Reihe im Kollektorzweig. Den 4,7uF-Kondensator C 513 interpretiere ich als Bootstrapkondensator für die Spannungsversorgung obere Halbwelle bei hoher Auslenkung. T504/T505 arbeiten signalmäßig als Kollektorstufen,ebenso T506 und T507. Da die Schaltung mit asymmetrischer Spannungsversorgung arbeitet, wird das Signal über C515 gleichspannungsfrei an den Ausgang gekoppelt.

      Es gibt zwei übergreifende Rückkopplungspfade, die das Signal von den Emittern der Ausgangstransistoren abgreifen. Einer führt über R520 an den Emitter der Eingangsstufe, der andere über R524||C512 an die Basis des Spannungsverstärkers T503.

      Arbeitspunkteinstellung:
      Die Emitter der Ausgangstransistoren müssen in Ruhe ca. halbe Betriebsspannung führen. Dafür sind die Widerstände an der Basis von T503 und dessen Emitterwiderstand zuständig, dessen Kollektorstrom durch die Widerstände R522 - R523 bestimmt wird. Dieser Strom fließt, nur durch den vernachlässigbaren Basisstrom von T503 ergänzt, ebenfalls durch R526 und erzeugt dort einen weitgehend konstanten Spannungsabfall von 0,45V. Diese Spannung + die ebenfalls relativ konstant bleibende Ube von T503 liegt über R525 und bestimmt den durch ihn und R524 fließenden Strom von ca. 330 µA. Damit werden die Emitter der Ausgangstransistoren T506 und T507 auf ca. 14,48 Volt festgelegt.

      Da die Basen der beiden Transistoren ebenfalls direkt miteinander verbunden sind, kann nur jeweils einer der beiden im leitenden Zustand sein, abhängig, in welcher Richtung R528 von Strom durchflossen wird. In Ruhe ist das T506, da die durch R527 fließenden 8,6 mA zum Teil (2,25 mA) durch R528 und weiter über R520 Richtung Masse abfließen. Dadurch öffnet T506 und hat in Ruhe ca. 4,4 mA Kollektorstrom, die ebenfalls über R520 Richtung Masse abfließen. T507 ist gesperrt.
      Dessen Basis nimmt durch die Ube eine Spannung von knapp 15V an (Si-Transistor). Diese Spannung liegt auch am Emitter von T505 an, dessen Basis dadurch wieder auf 14,8V gezogen wird (Ge-Transistor). Die Differenz zu Betriebsspannung liegt über den schon erwähnten Widerständen R522-R523 und bestimmt so den Kollektorruhestrom von T503.

      Der Ruhestrom von T505 liegt bei ca. 6,3 mA und ergibt sich aus der Differenz der Ströme von R527 (8,6 mA) und R528 (2,3 mA).

      Unter diesen Bedingungen liegt die Basisspannung von T504 niedriger als dessen Emitterspannung, er ist deshalb ebenfalls gesperrt.

      Dynamischer Zustand, negative Halbwelle



      Am Ende der Diagramme bei 750 µs ist der Scheitel der negativen Halbwelle (-50mV Eingangssignal) erreicht. Hier hat die Schaltung folgenden Zustand:

      Der Spannungsverstärker T503 zieht seine Kollektorspannung nach unten, auf ca. 12V, und gibt dieses Signal an die Kollektorstufe T505 weiter. Dadurch fällt auch die Spannung an seinem Emitter und dem Knotenpunkt von R527/R528. Der Stromfluß durch R528 kehrt sich um, Ausgangstransistor T507 leitet, T506 ist gesperrt.
      Diesen Übergang sieht man in den Zwischenstufen in den Diagrammen als "Hickser" in den Kurven. Die Rückkopplung an T503 sorgt also dafür, dass der Übergang, wo beide Ausgangstransistoren nicht leiten, möglichst schnell durchlaufen wird.

      Positive Halbwelle, kleine Aussteuerung (+ 50 mV Eingang, 4 Ohm Last, ca. 0,5W Ausgangsleistung))



      Der Fall ist einfach. Die beiden in Kollektorschaltung arbeitenden Transistoren T505 und T506, die auch schon im Ruhepunkt arbeiten, verstärken das Signal strommäßig. Dabei verringert sich der Strom durch T505 (PNP), der durch T506 (NPN) erhöht sich. Der notwendig Basisstrom für T506 reduziert den Kollektor(ruhe)strom von T505. In der positiven Halbwelle gibt es keine Unregelmäßigkeiten bei Aussteuerungen, solange T505 noch leitfähig bleibt. Das ist hier der Fall.


      Pos. Halbwelle,größere Aussteuerung (100 mV, 4 Ohm RL, ca. 2 Watt Ausgangsleistung)



      Wenn der Ausgangstransistor T506 zum Erreichen der positiven Ausgangsspannung mehr Basisstrom zieht, als T505 an Ruhestrom zur Verfügung hatte, greift T504 ein, dessen Basis ebenfalls vom Kollektor des Spannungsverstärkers T503 angesteuert wird. Auch hier gibt es natürlich einen kleinen Spannungshub an der Basis, wo beide Transistoren nicht leiten. Da das aber in der Treiberstufe ist, fällt der "Hickser" nicht so stark auf. Wieder sorgt die Gegenkopplung vom Ausgang auf T503 (im Diagramm Ub T503) dafür, dass dieser "verbotene" Bereich schnell durchlaufen wird. Man sieht das erst bei höherer Auflösung deutlich:




      Echt ungewöhnlich. Ich würde das Design auch nicht als "flawless" nach D. Self bezeichnen, aber so ganz schlecht ist es auch nicht, gemessen am Klirrfaktor. So eine Geschichte habe ich noch nie vorher gesehen. Sie erinnert mich etwas an den "Edwin"-Verstärker aus den 1970er Elektor-Zeiten, aber selbst da gibt es eine Ube-Kompensation, keinen reinen B-Betrieb der Endstufentransistoren.

      Viele Grüße,
      Christian
      Bilder
      • Simu_ohneSignal.JPG

        74,95 kB, 960×559, 55 mal angesehen
      • neg_Halbwelle.JPG

        82,88 kB, 552×535, 59 mal angesehen
      • pos_Halbwelle_50mv.JPG

        82,29 kB, 548×535, 57 mal angesehen
      • pos_Halbwelle_100mv.JPG

        82,2 kB, 551×533, 57 mal angesehen
      • Pos_Halbwelle_Detail.JPG

        54,67 kB, 555×536, 56 mal angesehen
      **************************************************
      2 + 2 = 5 (für extrem große Werte von 2)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „chriss_69“ ()

      Jetzt fände ich es noch interessant, eine Messung von einer aufgebauten Schaltung zu sehen -- kann man die "Hickser" dann am Ausgang noch sehen/auflösen ? Mich beschleicht doch der Verdacht, dass die Umgehung eines Ruhestroms doch zu kleinen Pulsen im Ausgang führen könnte ... und wenn das so ist, wäre das schon ein Grund, warum man die Schaltung dann später nicht mehr gebaut hat (?)

      Michael
      Und ich staune immer noch. Kompliment Christian für dein Engagement.

      Es bleibt die Frage, was den/die Entwickler geritten, einen solch schmalen Steg zu gehen und die Schaltung zu realisieren? Es können ja nicht mal wirtschaftliche Gründe gewesen sein, denn der Aufwand ist ja kaum geringer als in einer konventionellen Endstufe auch, die aber keine "Hickser" produziert. Auch würde ich auch immer an den Servicetechniker denken, der das Gerät später reparieren soll, wobei nichts hinderlicher ist als eine unkonventionelle Schaltung, besonders, wenn sie nicht einmal irgendwo erklärt ist. (LO war immer sehr, sehr sparsam mit Erläuterungen in ihren Serviceschriften, zumindest im Radio- und Hifi-Bereich, während es für TV ja damals die bekannten und grandiosen Möhring-Bücher gab). Ob in der Hauszeitschrift die Schaltung beschrieben wurde, weiß ich nicht, nicht einmal, ob es den LO-Kurier 1968 überhaupt noch gab.

      VG Stefan
    • Benutzer online 1

      1 Besucher