Diskussion: Thomson

      Immer wieder taucht in diesem Forum der Namen Thomson auf. Er ist der Sündenbock, der die gesamte deutsche HiFi-Industrie ruiniert haben soll. ich sehe das nicht so, auch wenn ich mich selbst gerne bei dem gedanken ertappe, Thomson die Schuld in die Schuhe zu schieben. Meine Gegenargumente:

      1) Nicht Thomson hat die deutsche HiFi-Industrie bankrottiert. Thomson übernahm bereits am Boden liegende Firmen!

      2) Was sollen die Firmen eurer Meinung nach heute bauen? Wischiwaschi-Geräte für Aldi und Lidl oder High-End-Geräte? In beiden Fällen wäre nur ein Promillebereich von Arbeitsplätzen nötig. Die Billiggeräte wären wahrscheinlich überhaupt nicht kostendeckend herzustellen. Die früher lukrative Mittelpreisschiene existiert nicht mehr.

      3) Thomson hielt offenbar die Probleme für rein deutsche und hoffte, durch besseres Management, Straffung der Strukturen etc. die Kurve zu kriegen. tatsächlich wurde sogar investiert - ich kann mich hier noch an Zeitungsartikel erinnern, in denen über Thomsons Zuweisungen an die Entwicklungsabteilungen von Telefunken und SABA die Rede war. Auch hielt man die Firmen noch viele Jahre am Leben - wohlgemerkt: es waren allesamt bereits pleitegewirtschaftete Unternehmen!

      4) Ohne Thomson hätte es einen sehr schnellen Ausverkauf á la EMTEC gegeben, mit Thomson gab es noch ein paar Jahre SABAs Eigenentwicklungen!

      Wie denkt ihr darüber?
      Jetzt mal speziell auf SABA:

      Wie war das mit der fast geschehenen Kooperation mit Phillips welche ja irgendwie der Grundig gestört haben soll?
      Wie hätte die Zukunft ausgesehen?

      Zu Thomson:
      ich bin zu jung um das beurteilen zu können.
      Bis jetzt war Thomson immer der Sündenbock in meinem Kopf.
      Ich werde die Diskussion verfolgen und mich dann gegen Ende äußern.

      Aber was feststeht: wenn das Phillips Konzept besser aussah, war Thomson zu unfähig.
      Aber im Nachhinein ist man immer klüger.
      Gruß Alexander
      Das Philips-Konzept sah vor, eine gewisse Teilhaberschaft zu übernehmen, vornehmlich zunächst dem SABA-Konzern finanziell wieder auf die Beine zu helfen und als Gegenleistung SABA zu verpflichten, sämtliche elektronischen Bauteile bei Philips zu kaufen.

      Das Philips-Konzept hätte auch nicht geholfen, da bin ich mir sicher. Damals ahnte offenbar niemand, dass es keine Überlebenschance für wen auch immer gibt. Philips selbst hat sich irgendwie durchlaviert, produziert dennoch all das, was z.B. SABA herstellen würde, in Fernost - mit wenigen Ausnahmen.

      Was würde uns ein SABA-Konzern heute bedeuten, der MP3-Player anbietet? Wer da glaubt, dass davon irgendetwas in Deutschland hergestellt oder gar designt worden wäre, der irrt...denke ich ;)
      Ah ja! Sehr interessante Diskussion!

      Diese Geschichte mit Philips ist mir ganz neu. Deshalb kann ich da noch nicht mitreden und muß mich erst ein bißchen "einlesen".

      @highlander:
      Du hast wohl recht. Thomson übernahm schon am Boden liegende Unternehmen. Das war ja bei Dual (St. Georgen ist ja gerade mal 15 KM von Villingen entfernt) nicht anders. Dieses Problem hatten viele Phono-Unternehmen in der damaligen Zeit, vor allem war der extreme Preiskampf in diesem Segement, bedingt durch die Japanesen, Schuld daran.

      Mit Wischiwaschi-Geräten hätte Saba und all die anderen Unternehmen ganz klar nicht überleben können (das hat ja dann Thomson versucht und ist auch gescheitert). Ich bin jedoch fest der Überzeugung, daß deutsche Unternehmen auch heute noch im Konkurrenzkampf mit den Ausländern konkurrieren können. Dies kann keinesfalls im Low-price-Segement passieren, dazu haben die Chinesen viel zu niedrige Produktionskosten, daß dort eine deutsche Firma auch nur im entferntesten Sinne mithalten könnte.
      Nein, deutsche Firmen müssen sich praktisch auf das Oberklasse- oder sogar das Premium-Segement konzentrieren - was ja eigenlich bei Saba auch in etwa so war. Saba war noch nie ein Billiganbieter! Aber wenn man mal in die Blöd-Märkte reinschaut, was gibt es denn dann noch dort? Doch nur Billigzeug, zusammengenagelt in Taiwan oder weiß der Kuckuck wo! Leider ist die Mentalität der deutschen auch auf diesem Niveau angelangt: Geiz ist geil!!! Es ist ja kaum mehr einer bereit dazu, für eine Stereoanlage 1500 Euro auszugeben. Da kauft man sich dann lieber solch einen Kompakt-Mist, der nichts taugt! Also, meine Meinung zusammengefaßt: Deutsche Firmen könnten auch in diesem Bereich überleben, aber nur mit hochwertigen und somit relativ teuren Produkten.

      Es war klar, daß Thomson Leute entlassen mußte, um die Firma irgendwie am Laufen zu halten. Mit 5.000 Mitarbeitern kann heute solch eine Firma nicht mehr überleben. Dann müßte eine normale Stereoanlage 20.000 Euro kosten, damit das funktionieren könnte - Schuld daran sind die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland und das stark angestiegene Lohnniveau. Trotzdem: Genau diesen Zustand gab es schon einmal in einer Firma: Porsche! Dort wurden auch recht viele Leute entlassen und es gab Proteste noch und nöcher. Und heute? Porsche ist eines der rentabelsten Unternehmen in Deutschland. OK, allerdings in dem Produktbereich, den ich schon angesprochen habe: Premiumsegment!

      Gruß Tom
      Hallo,

      ich muß mal ein paar alternative Gedanken in die Diskussion einbringen.

      Helden kommen, stehen im Rampenlicht, halten sich eine Zeit lang auf höchstem Niveau, kommen ins Stolpern, werden von der Masse überrollt, geraten in Vergessenheit und kommen dann als Mythos zurück, der dann glorifiziert wird.

      Und mit SABA ging es genauso.

      Nachdem ich das Buch von Hermann-Brunner Schwer gelesen habe, gibt es da einige Parallelen. Mit der Einführung des Rundfunks im Jahr 1923 ging der Aufbau der Belegschaft los, dann begann der Preiskampf, der dem Unternehmen die Substanz für schlechte Zeiten nahm. Um den Bedarf zu decken, wurde weiter eingestellt, bis auf ca. 6.000 Personen, bei immer dünner werdendem Finanzpolster. Schon 1968 waren 85% der Firmenanteile bei GTE (General Telephone und Electronics, USA). Dann das Desaster mit den von GTE verordneten Sylvania-Bildröhren zur Fußball-WM 1974. Das war natürlich ein blöder Zufall mit den verunreinigten Glaskörpern, aber das brachte das Faß nur noch zum Überlaufen. 1975 wurde dann der Finanzchef (Hermann Brunner-Schwer) entlassen. Der Rest bis zur Übernahme durch Thomson im Jahr 1980 ist Geschichte.

      Und was machen wir SABA-Freunde? Wir suchen und restaurieren gerade die letzten Geräte, aus der Zeit, "wo die Welt noch in Ordnung war" (70er), wo noch Entwicklung, Produktion etc. in einer Hand waren. Aber da ging es mit SABA schon ein paar Jahre bergab, ohne daß man das von außen so genau sehen konnte. Welcher deutsche Konsument kannte damals "GTE"?

      Was wäre ein 9260 wenn es SABA heute noch geben würde? "Die Referenz" oder nur ein altes Elektrogerät?

      Würde es das SABA-Forum überhaupt geben?

      Würde ich wissen, daß highlander eine tolle Tonbandgeräte-Sammlung hat und Maxalt sich für Röhrengeräte begeistert und sich in die Elektronik einarbeitet oder audio_tom die User-ID 447 hat?

      Jeder Beteiligte hier im Forum, egal ob er sammelt, repariert, mitliest, oder einfach nur mit einem SABA-Gerät Musik hört, hält den Mythos am Leben.

      Gruß

      Transistor
      @Transistor:

      Von meiner Seite hast du 100% Zustimmung!

      Die kleine Geschichte, die du geschildert hast, finde ich hochinteressant! Ich habe gar nicht gewußt, daß das schon 1968 mit der Übernahme von Saba begonnen hat. Aber man lernt ja nie aus.

      Wie du sagst: Wir wissen nicht, wie es heute wäre, wenn das alles so nicht passiert wäre. Saba könnte sich vielleicht schon im Oberklasse-Segment durchsetzen, aber wäre das dasselbe? Hätten diese Geräte den Charme der 50er, 60er und 70er Jahre? Oder wären das auch Elektronikgeräte "ohne Seele", wie man sie heute in den Märkten findet?

      Vielleicht sollten wir indirekt froh sein, daß es so ist, wie es ist und daß wir uns wenigstens hier gefunden haben, ein kleiner Kreis "Saba-Verrückter" (seid mir bitte nicht böse für das Wort "verrückt" :-D!).
      Ich habe mal nachgeschaut: Es gibt eigentlich kein zweites markenbezogenes Forum auf dem Hifi-Gebiet. Deshalb hier auch nochmals ein Dank an highlander, daß es überhaupt das Saba-Forum gibt, wo wir uns unterhalten und uns austauschen können.

      Gruß Tom
      Hallo audio_tom,

      das Wort "verrückt" trifft die Sache ganz gut. Für Nicht-HiFi-Liebhaber wirken wir vermutlich genau so.

      Was mag der Nachbar hinter der dezent zurückgezogenen Gardine denken, wenn wir mal wieder nach einem Besuch auf dem Recyclinghof oder dem Flohmarkt mit diesem seltsamen lächelnden Gesichtsausdruck das Auto entladen. Oder wenn der Paketdienst dauernd irgendwelche "geheimnisvollen" Pakete anschleppt.

      Interessant ist im Forum auch das was man zwischen den Zeilen lesen kann, d.h. was die Schreiber so privates erzählen (sei es bewußt oder unbewußt). Ein "Profiler" hätte sicher seine Freude daran, ein "Täterprofil" zu erstellen. Die meisten hier sind sowieso Wiederholungstäter. "Aber jetzt habe ich genug Geräte. Naja, wenn ich den noch finden würde...".

      Ja, highlander hat sich den Dank aller hier im Forum verdient. So viel uneigennützige Arbeit, um uns 467 Foren-Mitglieder (Stand: 30.08.06) und die unzähligen Gäste zu unterhalten und mit nützlichen Informationen zu versorgen.

      Wer irgendwann mal ein Saba-Gerät erwirbt, kommt an diesem Forum nicht vorbei.

      Gruß

      Transistor
      Hallo Transistor!

      Ja, genau! Auf Nicht-Hifi-Liebhaber werden wir ganz sicher so wirken. Wenn mich ab und zu Leute fragen, die mich nicht allzu gut kennen, was ich denn so in meiner Freizeit mache und ich ihnen das dann erzähle, dann ernte ich meist verständnislose Blicke :-D! Wie kann man sich schon mit Hifi und alten Radios beschäftigen??? Für die meisten Leute ist das ja nur alter Krempel - leider, denn so wandert sicherlich auch einiges auf den Elektoschrott, wonach sich einige hier die Finger ablecken würden! Stell dir mal ein Freiburg Studio A im Container vor - :( *heul* *schnief*!

      So eine Art "Benutzerprofil-Thread" gibt es doch, oder? Leider kann ich da derzeit noch nicht mitreden, da sich meine Leidenschaft noch aufs Beobachten und Lesen beschränkt. Ich bin mir noch nicht sicher, mit was es los gehen soll - für eine Studenten sind schon 100 Euro viel Geld :-)!

      Gruß Tom
      highlander postete
      4) Ohne Thomson hätte es einen sehr schnellen Ausverkauf á la EMTEC gegeben, mit Thomson gab es noch ein paar Jahre SABAs Eigenentwicklungen!
      Aber es werden doch alle Geräte stark abgewertet, welche nach '81 gebaut wurden.
      Die hätte man sich doch dann auch sparen können. Was anderes würde es heute eh nicht geben.
      Gruß Alexander
      @Maxalt:

      Da hast du schon recht, aber ich denke mal, daß die Leute, die damals übernommen wurden, froh waren, daß sie überhaupt eine Arbeit hatten.

      Was anderes würde es heute vielleicht auch nicht geben, aber es geht auch anders: Ich zeige das ja immer an Loewe auf! OK, diese Fernseher sind Premiumprodukte, sie kosten auch deutlich mehr, als vergleichbare Fernseher, aber die Verabeitung ist im Vergleich zu den anderen einfach hervorragend. So etwas in der Art könnte es heute auch bei Saba geben.

      Gruß Tom
      Hi Leute, der Niedergang der deutschen Rundfunkindustrie ist ja nicht auf SABA beschränkt. Hier passierte das Gleiche wie in der Motorradindustrie: Man hat sich lange auf Erfolgen ausgeruht und die abkupfernden Japaner belächelt. Leider haben es die Japaner nicht bei Abkupfern belassen. Das Know-How hatten die Deutschenin beiden Bereichen, aber sie waren satt und träge geworden. Dann wurden sie überrollt. Ich habe kürzlich einen japanischen Röhrenverstärker bei Ebay gesehen, Ende der 60er Jahre, ich glaube von Pioneer: Als ich den sauberen Aufbau dieses Verstärkers (Röhren!) und das moderne Design gesehen habe (ganz zu schweigen von der Leistung), zu einer Zeit als Saba u.a. noch immer "Radios" bauten, da verstand ich, was damals abging: Die deutschen Firmen haben die Entwicklung einfach verschlafen! Nicht Thomson oder die Japaner sind Schuld!
      jagisa postete
      Nicht Thomson oder die Japaner sind Schuld!
      Naja, indirekt sind GERADE die Japaner daran Schuld. Heute geht es den Japanern genau so, wie es Anfang der 80er Jahre den Deutschen gegangen ist - nur sind es dieses Mal die Chinesen, die zuerst kopieren und nachher es selber besser machen!!

      Ich denke, daß man letztendlich nicht genau sagen kann, wer denn Schuld an dem Niedergang der deutschen Phono- und Hifiindustrie ist. Es waren einfach zu viele Punkte, die zusammengespielt haben.

      Gruß Tom