Die dunkle Seite des Magnetismus

      Hallo,

      die Vorgeschichte: Für meinen Grundig Preceiver X55 fehlte mir noch eine Endstufe um ihn an meinen (nicht aktiven) Boxen betreiben zu können. Die sollte möglichst klein bauen und auf dem Subwoofer Platz finden.

      Spontan wurde für 1,50€ eine Mars MV 100 ersteigert, mit angeblich 2 * 30W:





      Die nach dem Kauf durchgeführte Recherche brachte einige Erkenntnisse:

      1) Dieses Gerät wurde um 1980 von vielen Herstellern vertrieben, z.B. Wega Minimodul 205, Aiwa A30, usw..

      2) Kein SChaltplan im Netz.

      3) Das Gerät ist mit zwei HA 1370 bestückt, die jeweils 20W Sinus leisten. Dafür gibt es im Netz jede Menge Schaltungsbeispiele.

      4) In meiner Stiftung-Warentest-Sammlung fand sich das Gerät im Testheft 9/81 wieder. Leider mit dem Testurteil "mangelhaft". Ursache für das schlechte Abschneiden war der Fremdspannungsabstand von 43 dB, Frequenzgang und Übersprechen waren allerdings sehr gut.


      Die Inbetriebnahme bestätigte leider, dass die Warentester richtig gemessen hatten. Insbeondere aus dem linken Kanal ertönte ein lautes, lautstärkeunabhängiges Brummen, das selbst bei gehobener Zimmerlautstärke noch deutlich vernehmbar war.

      Da es am Samstag regnete konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, mal einen kurzen Blick hinein zu werfen. Wie lange derartig kurze Blicke dauern können, braucht hier im Forum wohl nicht erklärt zu werden.

      Auffällig war die starke Erwärmung des Trafos. Selbst ohne sekundäre Belastung (Danke an den Konstrukteur für den Steckverbinder) nahm der Trafo 12 Watt auf. Direkt neben dem Trafo befindet sich das linke Enstufen-IC. Zieht man die Platine mit Kühlkörper aus dem Gehäuse, wird das Brummen immer leiser und bei etwa 5cm Abstand ist dann absolute Stille. Damit war schon mal der kausale Zusammenhang geklärt.





      Der Versuch die Brummeinstreuung mit einem Blech abzuschirmen brachte diesbezüglich nichts, aber eine neue Erkenntnis. Im Umkreis von 3 cm um den Trafo vibrierte das Blech sehr stark. Die Frage war jetzt, warum hat der Trafo im Leerlauf so ein starkes Streufeld? Da hat es dann in den Tiefen meiner grauen Zellen "Klick" gemacht. Vor vielen, vielen Jahren war in einer Fachzeitschrift mal ein Artikel darüber, was man bei Trafos alles falschmachen kann.

      Man darf z.B. im Kern keine geschlossenen elektrischen Stromkreise zulassen, aus diesem Grund sind die einzelnen Trafobleche auch gegeneinander isoliert.

      Und genau dagegen ist hier verstoßen worden. Die Schrauben durch den Trafokern halten zusätzlich ein Montageblech, über das die SChraubenenden elektrisch kurzgeschlossen werden, so dass ein Stromkreis entsteht, in den der Trafo munter induziert.


      Nach Demontage der beiden Befestigungswinkel (Schrauben drin oder draußen, kein Unterschied) sank die Leistungsaufnahme des Trafos von 12 auf 4 Watt, bei vollkommen einwandfreier Funktion. Das Brummen im linken Kanal ist seitdem nahezu vollständig verschwunden.






      Da der Winkel gebraucht wird, habe ich die Schrauben dann isoliert montiert. Die Leistungsaufnahme des Gerätes ist jetzt ohne Ansteuerung 9 Watt, vor dem Umbau waren es 17W. Der Fremdspannungsabstand liegt jetzt über 70dB.






      Fazit:

      Vier Isolierscheiben hätten ein gutes Testurteil ergeben.

      Kochende Trafos oder hartnäckige Brummeinstreungen können diese Ursache haben.

      Gruß

      Rolf
      Solche U-Profile sind aber auch unüblich. Meist werden zwei schmale L-Profile, eins vorn, eins hinten (jeweils oben und unten) verwendet. Da ist ein Kurzschluss nicht möglich.

      Willst Du dich bei der Isolation wirklich dauerhaft auf die Isolierbandlage verlassen oder sind unter den U-Scheiben noch Isoliernippel oder Isolierscheiben?
      Achim
      Hallo Achim,

      wollen eigentlich nicht, ich hatte aber gerade nichts anderes da. Die unterste Schicht (nicht sichtbar) ist ein dickes Gewebeklebeband, das unter Wärmeeinwirkung aushärtet und dann mechanisch ziemlich belastbar ist.

      Sollte es wieder anfangen zu brummen, muss ich halt nochmal ran.

      Die Sache mit den L-Winkeln bringt mich auf eine Idee. Das Gerät könnte ein Beispiel für nachträgliche Fertigungsoptimierung sein.

      Irgendjemand ist auf die Idee gekommen vier L-Winkel durch zwei U-Stücke zu ersetzen. Dass diese Montagevereinfachung den Fremspannungsabstand um 25dB verschlechtern würde bzw. überhaupt Auswirkungen auf die elektrischen Eigenschaften des Verstärkers haben könnte, lag sicherlich außerhalb der Vorstellungskraft. Und bei einem einfachen Funktionstest nach der Fertigung ist das bestimmt auch nicht aufgefallen.

      Reine Spekulation, aber deckt sich mit meiner 25-jährigen Berufserfahrung als Ingenieur.

      Gruß

      Rolf
      Problem erkannt und wenn man nichts da hat, reicht oft ein Stück Mantel einer Mantelleitung NYM 3x1,5 oder dickeres symmetrisches Mikrofonkabels aus.

      Die großen stehenden Elkos sehen aus wie aus einem PC-08/15-Schaltnetzteil, Zufall?

      Manche dieser Geräte hätten duchaus besser punkten können, wenn man bei solchen Auslaufrillen-Fehlern nicht gehudelt hätte. Ich denke da auch an einen beliebten aber bei der Stiftung nur deshalb stark abgewerteten Verstärker von Universum, weil man "vergessen" hatte die Vorverstärker-Versorgungsspannung ordentlich zu sieben und die Buchsenleiste ordentlich sternpunktförmig zu nullen. Umbau von "indiskutabel" auf "bestmöglich" kostete nur Pfennige für zwei Elkos und fünf Minuten Lötkolbenschwingen an der Masseleitung.
      Gruß Jogi,
      der im Forum von jedem dahergelaufenen Neuling verspottet, beleidigt und als charakterlos tituliert werden darf.
      Stichprobenartig habe ich einige Elkos ausgelötet und geprüft. Keine Beanstandungen. Sogar die Elkos im Gegenkopplungszweig mit 0V Betriebsspannung waren noch fit.

      Die elektroakustischen Daten (Frequenzgang, Klirr, IM, Rauschen, Brummen (!)) sind jetzt ebenfalls ohne Mangel, so dass ich gar nicht weiter gesucht habe.

      Gruß

      Rolf
      Hi Rolf,

      ich hatte mal die Version von Wega (oder eine davon -- vielleicht gab's da
      mehrere ...), da hatte ich kein Brummproblem, und auch kein Problem mit dem
      Trafo. An so ein U-Profil kann ich mich aber auch nicht erinnern ... ob es ggf.
      doch Exemplare ohne das Problem gab ?

      Achim's Vorschlag gefaellt mir, ich denke aber, dass die Loesung mit dem
      Gewebeband auch reicht. Habe ich auch schon das eine oder andere Mal so
      gemacht, und nie Probleme damit bekommen ...

      Danke fuer's genau Dokumentieren !

      Besten Gruss,

      Michael
      Hallo Achim,

      das wäre die beste Lösung. Sollte die Isolierbandvariante nicht langzeitstabil sein, wird es so gemacht.

      Den Verlauf des Stromflusses sehe ich genau so.

      Hallo Michael,

      bei Wega hat in Deutschland bestimmt noch irgendeine Form von Kontrolle stattgefunden, da dürfte so ein Fehler nicht lange unentdeckt geblieben sein.

      Bei der Weltfirma Mars bin ich mir da nicht so sicher. Wahrscheinlich nur Vertrieb und nur kaufleute.

      Gruß

      Rolf
      Hallo Heino,

      ein Schlitz würde auch reichen, er darf aber nicht so schmal sein, dass er sich beim Verschrauben der Trafobleche wieder schließt.

      Ich frage mich aber, ob es selbst dann nicht noch einen Weg für Ströme entlang der violetten Linie gäbe.



      Diesen Weg gibt es allerdings bei den meisten Trafobefestigungen auf Metallchassis. Die Frage, ob sie stören hängt dann wohl vom Übergangswiderstand ab.
      Achim
      Hallo Achim,

      entscheidend ist der magnetische Fluss und seine Richtung in der Fläche, die vom Leiter umschlossen wird, also einmal der blau und einmal der violett markierte Bereich. Der Fluss (Integral uber die Flussdichte) müsste also in beiden Fällen der gleiche sein und damit auch die induzierte Spannung. Bleibt tatsächlich nur der höhere Ohmsche Widerstand als Kriterium. Das würde aber bedeuten, dass Trafos, die mit L-Winkeln auf einer metallenen Oberfläche befestigt sind, dieses Problem grundsätzlich auch haben müssten, nur nicht so ausgeprägt.

      Hier noch ein Satz aus einem Datenblatt der Fa. Block-Transformatoren:

      "Der Trafo hat im Kernpaket Löcher für zusätzliche Befestigungsmöglichkeiten (Schrauben müssen zur Vermeidung von magnetischem Kurzschluss einseitig isoliert sein)"

      Meinen Sie wirklich magnetisch?

      Gruß

      Rolf
      Moin Rolf,

      ich denke, das Adjektiv "magnetisch" soll hier darauf hinweisen, dass im Falle
      des elektrischen Kontakts ein Strom fliesst, der dann ueber das erzeugte
      Magnetfeld selbstverstaerkend ist und das Problem hervorruft, das Du zu Beginn
      bemerkt hast.

      So gesehen waere es auch bei Aufschneiden des Blechs noch gut, eine Lage
      Gewebeband zu spendieren und eine Mutter zu isolieren. An einer Stelle will man
      vielleicht eine leitende Verbindung zum Chassis, aber nicht an mehr ...

      Ich habe frueher bei einigen Trafos, die mit den Winkeln auf leitenden Flaechen
      montiert waren, die Loecher etwas aufgebohrt, Gummituellen eingesetzt, und die
      Trafos auf diese Weise mechanisch gepuffert montiert (wenn man auf beiden Seiten
      der Tuellen hinreichend grosse U-Scheiben einsetzt, ist das stabil genug).

      Zur Erdung (oder Verbindung mit dem Chassis) habe ich dann noch an einer Stelle
      eines Winkels mit einer M3-Schraube eine Oese angebracht und so die elektrische
      Verbindung zu einem zentralen Punkt hergestellt.

      Diese Massnahme hat sich bewaehrt -- meist auch schon wegen des geringeren
      mechanischen Brummgeraeusches.

      Besten Gruss,

      Michael
      KOR postete

      Hier noch ein Satz aus einem Datenblatt der Fa. Block-Transformatoren:

      "Der Trafo hat im Kernpaket Löcher für zusätzliche Befestigungsmöglichkeiten (Schrauben müssen zur Vermeidung von magnetischem Kurzschluss einseitig isoliert sein)"

      Meinen Sie wirklich magnetisch?

      Gruß

      Rolf


      Doch, das meinen die so.

      Ein Trafo besteht ja nicht umsonst aus mehreren dünnen, voneinander isolierten Kernblechen. Würde man dieses Paket durch eine Schraube z.B. überbrücken, würde genau der o.a. Kurzschluß eintreten.

      Wenns so einfach wäre hätte man Trafos ja auch aus einfachen Vierkantstäben machen können.

      Gruß, Dieter
      Jein -- es ist hier schon wesentlich, dass die _elektrische_ Verbindung durch
      Isolation unterbunden ist. Das Problem existiert ja auch bei Ringkerntrafos,
      wenn die Montageschraube z.B. ueber den Deckel einen geschlossenen
      Stromkreis bildet. Dann reicht eine U-Scheibe an der richtigen Stelle, und
      der Spuk ist weg.

      Besten Gruss,

      Michael