Ein Freiburg W3 … des Grauens

      Liebe Forumsmitglieder,

      ich heisse André, bin keine 600 Monate alt, kann bei gutem Wetter manchmal einen Lötkolben von einem Maiskolben unterscheiden und lese Euch seit Jahren mit Interesse und Freude, wenn auch aus ferner Distanz (Schweiz).

      Eigentlich wollte ich kein weiteres Radio mehr. Aber als ein Freiburg W3 meinen Weg kreuzte, konnte ich nicht anders. Nur: Die Schaltung spielt in einer Liga, der ich trotz Eurer Threads nicht gewachsen bin. Und das Chassis ist ebenfalls in einem Zustand, dem ich nicht wirklich gewachsen bin, was in Kombination keine besonders gute Ausgangslage ergibt.

      Ich bin mir nicht sicher, ob das Radio zu irgendwelchen Testzwecken an Dieselmotoren angeschlossen wurde oder zwischendurch als Fritteuse diente. Jedenfalls überzieht ein schmieriger, russartiger Film das Innenleben, auch dort, wo es keinen Grünspan angesetzt hat. Die Sicherung vor dem Gleichrichter war durchgebrannt, es hat Modifikationen an der Schaltung, mehrere Kontakte waren an den Pertinaxstreifen hochgelegt, was mich angesichts Eurer Schilderungen nicht grundsätzlich störte – im Gegensatz zum Umstand, dass dies gleich mit Metallzunge geschehen ist. Es hat noch ein paar Schäden mehr, und eigentlich wäre es ein Fall zum Entkernen oder Schlachten. Erstgenanntes traue ich mir nicht zu, Zweitgenanntes kommt nicht in Frage. Also habe ich mich aufgemacht, die Fehler zu finden.

      Als erster Hauptfehler stellte sich die Netzdrossel heraus (Durchgang nach Masse), als zweiter ein Widerstand, der gegen das Chassis angelehnt einen Kurzschluss verursachte und möglicherweise der Grund für die abgerauchte Drossel war. Jetzt ist an Stelle der Drossel testweise ein R (150 Ohm) eingesetzt, der Anoden-C (ein Wima-Knallbonbon) ist sicherheitshalber ersetzt, ebenso der Entstörkondensator beim Trafo (kombinierter X2Y2 eingesetzt). Gleichrichter und Sieb-/Ladeelko sind noch original (je < 40 uF), Spannung liegt nur leicht zu tief, Strom hinter Trafo bei nicht ganz 120 mA. Zwischenergebnis: Der Klang ist sogar in diesem Zustand superb, ebenso der Empfang auf U und M.

      Aber … auf K ist der Empfang traurig schlecht, auch wenn die KW-Lupe grundsätzlich funktioniert, und auf L herrscht komplette Ruhe.

      Und hier setzt meine Bitte um Hilfe ein, da mich die Schaltung komplett überfordert: Zwischen den beiden L-Pertinaxstreifen liegen mehrere Spulen mit haarfeinen Drähten. Bei der Spule, die durch L5 im Ruhezustand gebrückt wird, lag der Draht frei, der auf Masse gehen sollte. Ich habe ihn wieder angelötet. Hat keine Besserung gebracht. Nach langem Suchen bin ich auch bei L8 fündig geworden, nur ist es dort umgekehrt: Dort habe ich einen haarfeinen Draht, der am 5nF hängt, der auf Masse geht. Aber er endet vor der Spule. An der Spule aber sieht nichts danach aus, als sei der Draht je von dort gekommen. Bilder und Schaltungsausschnitt sind unten.

      Ich bin mir nicht sicher, ob … Ach was: Ich hänge fest und habe keine Ahnung, ob das der gesuchte Fehler sein könnte – und noch weniger habe ich einen Plan zum weiteren Vorgehen, ob dies nun der gesuchte Fehler sei oder nicht.

      Denn ist es der Fehler, habe ich keine Idee, wie ich das ohne Ausleihen von OP-erfahrenem Chirurgen retten soll. Und ist es nicht der gesuchte Fehler, gehen mir die Ideen erst recht aus.

      Habt Ihr mir vielleicht einen rettenden Tipp?





      Vielen Dank, Dieter und Yüksel!

      @Dieter: Perfekte Zusammenfassung, zumal bei modifiziertem Gerät. Immerhin bin ich unterdessen (hoffentlich zurecht) überzeugt, dass das L- und K-Problem keinen unmittelbaren Zusammenhang hat, es sich also eher um zwei unabhängige Probleme handelt: Die K-Leiste hängt diese Spule ohnehin ab (Auszug Schema unten). Nach Quervergleich mit meinem Meersburg W5-3D habe ich zudem den Eindruck, der M-Empfang sei ziemlich pover - ich muss mich akustisch 'geblendet' haben lassen, weil da überhaupt Empfang war und sich die Bandbreite einstellen liess. Macht das kombinierte Neonfisch-im-Nadel-Heuhaufen-Fischen auch nicht unbedingt trivialer.

      @Yüksel: Auch Dir vielen Dank, das ist sehr hilfreich! Ich habe versucht, die Stelle besser ins Bild zu bekommen und Deinem Bild gegenüberzustellen (siehe unten). Das sieht bei meinem Gerät tatsächlich gar nicht gut aus und deutet darauf hin, dass ohne Spulenersatz L nie mehr gehen wird.

      <b>Was meint Ihr: Soll ich angesichts die Kondis wechseln und wenigstens ein auf U und TA wunderbar klingendes Radio machen?</b> (Zusätzliches Bild zum Zustand der Chassis-Unterseite ebenfalls unten.)

      Gruss André
      (das Dächlein auf dem Endbuchstaben ['aigu'] wurde bei meiner Registrierung als
      unerlaubtes Sonderzeichen taxiert, weshalb das nun Teil meines Namens hier bildet)





      Danke für den Ansporn, Yüksel, der mir wieder Mut gemacht hat. Da die untere Spule betroffen ist und es an der Spule selbst nichts mehr zum Löten hätte, habe ich im Forum nach einem Beitrag zu einem möglichen Ausbau dieser Spule gesucht. Und gefunden:

      Achim hatte ein ähnliches Problem bei einem Freiburg Automatic 3DS (Post 261 ff.).

      Ich habe testhalber den bei meinem W3 betroffenen Spulenteil des Übertragers 37 gebrückt. Auf Anhieb stellt sich Rauschen ein, kurz danach konnte ich auf diese Weise sogar Europe 1 hören.

      Für mich bedeutet das: Dieses Problem hat nunmehr drastisch an Schrecken verloren. Zuerst werden aber im Verlauf dieses Winters die üblichen Verdächtigen ersetzt. Dann sehe ich weiter.

      Vorerst nochmals herzlichen Dank an Dieter und Yüksel und auch an Achim für seine vorzügliche Dokumentation!
      Ich schiebe diesen Thread – auch für Robert – wieder hoch. Obwohl nicht abgeschlossen, kann dieses Beispiel ebenfalls für besonders widerspenstige oder angeschlagene Kisten stehen, bei denen als Faustregel gelten könnte, dass man sich bisweilen für jede Lösung zwei andere Probleme einhandelt.

      KURZFORM: Gerät überholt, aber LW-Problem nicht gelöst und MW sowie KW schwach. Meinen ersten Eindruck halte ich aufrecht. Entkernen oder schlachten wäre die angemessene Wahl gewesen. Kam aber für mich nicht in Frage, wofür ich mich ohrfeigen könnte, hätte ich bis heute nicht so viel Unterhaltung mit dem Teil gehabt. Und, nein: Mir geht es wie wahrscheinlich den allermeisten von Euch: Mir ist auch sonst nicht gerade langweilig.

      LANGFORM: Disclaimer: Im Plauderton gehalten.

      Dank der Aufmunterung von Dieter und Yüksel – nochmals herzlichen Dank – habe ich mich an die Weiterarbeit gemacht. In Verkennung der Wirklichkeit nichts *noch* Böseres ahnend. Ich war damals, wie Ihr wisst, an einem Punkt, an dem ich den Berg vor lauter Felsen nicht mehr sah. Die Felsen haben mich danach bestens unterhalten – der Berg tut es bis heute :)

      Zunächst ersetzte ich, was an alten Papierkondis und Elkos übriggeblieben war. Danach besorgte ich Ersatz für die Drossel. Jetzt werkelt dort anstatt des Ersatz-R eine Drossel aus einem Bodensee W3. Nicht ganz perfekt, aber immerhin close. Bloss hatte ich nach dem Umbau kein Oszillator-Signal mehr. Nirgends.

      Vom Grünspan hatte ich ja schon geschrieben. Der hatte muntere Folgen nicht nur bei der LW-Spule, die der Ursprung dieses Threads war. Sondern auch andernorts: Ein paar R, auch niederohmige, waren so angeschlagen, dass sie bisweilen zu arbeiten geruhten, bisweilen aber eben auch nicht. Kein Problem, machte ich mir vor, und ersetzte sie. Nur hatte ich nach wie vor kein Oszillator-Signal mehr: Bei der ECH81 kam keine Anodenspannung an.

      Weil ich das Nächstliegende übersehen hatte, führte mich erst vermeidbares Messen auf die Spur des Fehlers: Die entsprechende Schaltleiste (T 5, 6, 8) musste früher einmal ausgebaut, brutalisiert und falsch wieder eingesetzt worden sein: Sie lief schlicht an den Kontaktzungen vorbei und schleifte ihnen von aussen nach entlang. Und hatte daher Kontakt lediglich und nur bisweilen dort, wo keine millimeterdicke Schicht diesen unterband und zudem genügend Druck vorhanden war. Also Ausbau, Reinigung, richtiges Einsetzen. Und schon ging’s weiter. Leider nur bis dorthin, wo der nächste Fehler lauerte. Das ging eine ganze Weile weiter so. Der Tiefpunkt war glaube ich, als der 3pF an der Anode der ‚hinteren‘ EL84 ganz zwanglos auseinanderfiel.

      Unterdessen war mir aufgefallen, dass noch mehr am Radio nicht stimmen konnte. Das betraf eher Kleinigkeiten – wie die äusseren Bedienknöpfe: Die haben bei mir zwei schmalere Goldringe und dafür konstruktionsbedingt nur eine Madenschraube, wo ich auf Euren Bildern einen einzigen, breiteren Goldring zu erkennen glaube und zwei Madenschrauben wähne. Oder fehlende Unterlagscheiben, wo SABA-gemäss eigentlich solche verbaut sein sollten, etwa an der Befestigung der EM71. Die Feder-/Kappenteile auf dem Chassis, die die Röhren stabilisieren sollen und deren Bezeichnung ich nicht kenne, fehlen sowieso alle.

      Ich habe mich deshalb einmal den äusseren Werten zugewendet und damit angefangen, die Schallwand mit meinem bisherigen Mittel der Wahl zu reinigen: Verdünntes Javel-Wasser aufgesprüht, einwirken lassen, abduschen und abgautschen auf Frotteetuch, danach trocknen. Angesichts des unbefriedigenden Ergebnisses: Wiederholung des Ganzen, diesmal mit Gallseifen-Lösung. Keine Verbesserung. Schliesslich habe ich den Stoff abgelöst und in der Waschmaschine gewaschen (30°C, Wollprogramm mit Shampoo). Keine Verbesserung, weshalb ich zur Notwehr griff und den Schallwandstoff bei 60° durchlaufen liess. Das Ergebnis war durchzogen: Der Stoff war zwar unbestreitbar hübsch hell geworden – nur traten die an den Lautsprecherrändern und dem zugehören Stabilisierungskreuz durchgescheuerten Stellen derart hervor, dass ich den unterdessen eingegangenen Stoff nachfärben musste. Ich glaube, ich habe dazu Kaffee verwendet, was es nicht wirklich gut gemacht hat, aber erträglich. Kurz: Auch hier gelangte ich an die Grenzen des *mir* Möglichen bei gegebenem Radio, gegebener Ausgangslage ohne Zweit-Gerät, geschweige denn vorgängiger Erfahrung mit einem anderen, baugleichen Modell, und gegebenem Irrglauben, das könne man ohne Entkernen doch noch richten. Ich habe noch die defekte Spule ausgebaut und abgewickelt – und beim Zählen der Windungen aufgehört, als ich *drei* Drähtchen in den Händen hielt anstatt zwei. Ich meine mich zu erinnern, dass die kleine Kammer 50 Windungen hatte, würde das aber aus diesem zeitlichen Abstand heraus nicht beschwören.

      Das war der Punkt, an dem ich das Radio im vergangenen Jahr zur Seite gestellt habe. Obwohl es auf UKW und TA unterdessen ganz vorzüglich spielte und obwohl nach Ersatz des angeschlagenen Gleichrichters die Spannungen unterdessen stimmten, auch bei der wirklich beeindruckenden UKW-Rauschunterdrückung; Spannungen gemessen mit Multavi HO. Den Hochtöner-C habe ich übrigens zunächst nach Schabu-Rechnung auf 3.3uF erhöht, später auf 2.2uF reduziert und schliesslich wieder auf 1uF zurückgebaut, weil mir der Klang zu aufdringlich war, wobei das Radio bei mir etwas erhöht steht. Manchmal habe ich darauf UKW gehört und mich am Klang gefreut.

      Vor zwei, drei Wochen habe ich das Monster wieder auf den Tisch gestellt, die Spule aufgewickelt (das kleinste Drahtstückchen habe ich weggelassen) und eingesetzt. Mir überlegend, wie viele Möglichkeiten es gibt, sie falsch einzubauen … Auf LW habe ich zwar unterdessen wieder etwas Rauschen, das sich tatsächlich an Punkt 38 sauberer einstellen lässt, aber auf einem zweiten Radio ist kein Oszillator-Signal erkennbar; ja, dort auf MW gesucht bzw. abgehört. MW nach wie vor traurig, ebenso KW (ja, ECH81 mit bekannt guten getauscht). Da diese LW-Spule bei MW ohnehin ‚überspielt‘ wird (L8, M3, L3), hat sie freilich keinen Einfluss auf den MW-Empfang. Was wiederum ein neues Problemfeld öffnet – wenn man einmal die dortigen pF-Cs und den Schaltkontakt M3 als intakt annimmt, was ich wiederum in diesem spezifischen Fall sicher *nicht* unbesehen tun würde. Da ich ja ursprünglich gar kein zusätzliches Radio mehr wollte, habe ich zudem vor ein paar Jahren meinen Messsender weggeben (huge mistake, boy!).

      Soviel zum Zwischenstand.

      Da ich mich etwas kenne, glaube ich nicht, dass ich einstweilen noch viel an dem Teil machen werde – zum Einen wäre ein Entkernen wirklich das Vorgehen der Wahl gewesen und ist es weiterhin, freilich nur mit Zweit-Gerät, und zum Anderen funktionieren UKW und TA sowie, wenn auch traurig, MW und KW, der Klang ist nach wie vor gross, das Gehäuse annehmbar. Eher werde ich wegen des allgemein schwierigen Gesamtzustands nach einem Zweit-Gerät Ausschau halten und die weitere Instandstellung aufschieben. Der letzte zumindest grundsätzlich funktionstüchtige FB-WIII, der meines Wissens hier in der Schweiz im Internet versteigert worden ist, ging vor ein paar Wochen für einen verblüffenden zweistelligen Frankenbetrag: CHF 60.50.
      So oder so hätte ich die vergangene Ratlosigkeit nicht zuletzt dank Eures Zuspruchs und Eurer Aufmunterung auf keinen Fall missen wollen :)

      Liebe Grüsse

      André