Philips Capella 673 Endstufe mit Erklärungsbedarf

      Hallo an die Experten,

      eine Philips Capella 673 wird wieder schön gemacht. Es hat nach meinem Empfinden eine sehr seltsame Endstufe (transformatorlos), durch deren Funktion ich nicht ganz durchsteige.

      Die beiden EL86 sind gleichstrommäßig in Reihe geschaltet, damit scheidet schon mal Gegentakt aus.

      Otto Limann hat in seinem Buch "Funktechnik ohne Ballast" einen kurzen Absatz über "Gegen-Parallel-Verstärker" verfasst, das bringt mich aber auch nicht viel weiter, obwohl es das Prinzip schon erklärt.

      Vielleicht können die Profis mal eingreifen und in einfachen Worten diese Schaltung erklären.





      Gruß, Dieter
      Hallo Dieter,

      Ich fang einfach mal irgendwie an:
      Auch das ist wieder einmal ein "echter Philips". Man entwickelt eine Schaltung für einen bestimmten Zweck (hier eine NF-Endstufe) so, als ob es aktuell noch gar keine etablierten Schaltungen der Mitbewerber dafür gäbe bzw. als ob man sie nicht kennt.
      Dabei kommen bei Philips immer recht interessante Lösungen heraus.
      Philips hatte mit dem Ziel einer verbesserten Klangqualität eine Reihe eisenloser NF-Endstufenvarianten realisiert. Sie sollten die durch die Verwendung von Ausgangsübertragern unausweichlich bedingten Nachteile vermeiden. (Der einfache Anschluss handelsüblicher Zusatzlautsprecher ist bei diesen Endstufen allerdings nicht möglich.)
      Voraussetzung für alle eisenlosen Röhrenendstufen ist freilich die Verfügbarkeit von Lautsprechern entsprechend hoher Impedanz, die eine Impedanzanpassung vermittels Trafo überflüssig macht.
      Da man diese Lautsprecher für diesen Zweck selbst herstellte, konnte man also loslegen.

      Die Schaltung ist eine Gegentaktschaltung, wie sie später mit Transistoren lange als Quasi-Kompementärschaltung Standard war.
      Bei Transistoren verwendet man 2 identische (keine kompementären) NPN oder PNP Transitoren, hier 2 identische Endpentoden EL86.

      Um Gleichspannungsbelastungen des Lautsprechers zu unterbinden, ist der 32µF Koppelkondensator erforderlich. Siene Kapazität kann infolge der im Vergleich hohen Impedanz der Schaltung kleiner sein als bei einer Transistorschaltung.
      Die E"C"C83 übernimmt nun die NF-Treiberfunktion, die EC"C"83 die der Phasenumkehr für die obere EL86.

      Soweit zur prinzipiellen Funktion, die unmittelbar einleuchtet.

      Und schon gehts los mit den Details, auf die ich jetzt keine Antwort weiss:

      - Warum sind in der Anschaltung der Lautsprecher 2 Glühlampen?

      - Warum gewinnt man die G2 Spannung für die südliche EL aus der Mittenanzapfung der Anodenwicklung?

      - Warum ist die G2 Spannung dieser EL höher als ihre Anodenspannung??

      - Was ist die genaue Funktion von C116?

      Wird diese Schaltung mit Transistoren realisiert, arbeitet der "nördliche" Transistor in Kollektorschaltung, der "südliche" in Emitterschaltung.
      Hier im Fall mit 2 Pentoden, sollte man eine Analogie unterstellen können, derzufolge die "nördliche" Pentode in Anodenbasisschaltung -> Kathodenfolger, die "südliche" in Kathodenbasisschaltung betrieben wird.
      Achim
      Hallo Achim.

      Der Vergleich mit einer Quasi-Komplementär Transistorendstufe ist korrekt.
      Da fehlt nichts.
      Warun das Ug2 der unteren Röhre höeher al Ua ist, einmal kommen die 150V aus 50% der Ladespannnung, zu Anderen, ist das bei (fast) allen Endstufen so, dass Ug2-K höeher als Ua-K ist. Das hat mit der Austeuerung zutun.

      Die Lampen? Dynamik- Kompression!

      Siehe auch hier
      Post 027

      http://saba.magnetofon.de/showtopic.php?threadid=4531&pagenum=2&highlight=Dynamic
      Hallo Hans,

      an die Dynamikkompression dachte ich auch zuerst. Beim Grundig lag die Glühlampenschaltung im GK-Zweig, hier liegt sie in der Lautsprecherleitung selbst. Das hat mich irritiert. Bei Grundig könnte man vielleicht von einer aktiven (da in die Verstärkung eingegriffen wird), bei Philips von einer passiven Schaltung sprechen.

      Bei der G2 Erzeugung irritiert mich das ungleiche Vorgehen: Bei der nördlichen EL wird sie über den Vorwiderstand aus Ua gewonnen, stellt sich infolge der geringen Belastung, die das G2 darstellt, in etwa auf Höhe der Ua ein, die Spannungen A-K und G2-k sind annähernd gleich, während bei der südlichen EL von vorne herein dafür gesorgt wird, dass A-K=123V deutlich niedriger als G2-K=138V liegt.
      Achim
      Hallo Achim, hallo Dieter,

      die Glühlampen in den Lautsprecherzuleitungen dienen der Dynamik-Kompression zur "intimen" Hintergrundbeschallung; bei zunehmender Lautstärke (Stromfluss) nimmt der Widerstand der Lämpchen zu und verringert so amplitudenabhängig die Lautstärke.

      Das Prinzip wurde auch bei Grundig verwendet, wobei es zur Umkehr der Kompressionsfunktion, in der Gegenkopplung eingesetzt, als Dynamikexpander wirksam wurde. Grundig nutzte durch geschickte Umschaltung beide Funktionen.


      "Räusper", ich sehe soeben, während ich schrieb, hat sich einiges getan...

      Dieses Modell verfügt nicht über die klassische Eisnelose Endstufe, mit "integrierter" Phasenumkehr, welche üblicherweise über die untere Pentode angesteuert wurde. Bei dieser speziellen Schaltung werden beide Endröhren mit gegeneinander phasengedrehten Signalen angesteuert. Und die obere Endröhre ist direkt galvanisch mit ihrer "Treiberröhre" gekoppelt. Dies sind aber Einzelheiten, welche nicht unbedingt Licht in die eigentliche Funktion der Endstufe bringen.

      Leider kann ich in dem eingeblendeten Schaltungsausschnitt keine Einzelheiten und somit auch keine Bauteilebezeichnungen erkennen. Wer (wo) ist C116?
      Freundliche Grüsse, sagnix
      Hallo Achim,

      es sieht so aus, als würde über diesen Kondensator vom Ausgangssignal die Anodenspannung der rechten (ECC) Triode dynamisch nachgeführt - in der Transistortechnik kennt man dies unter dem Begriff "Bootstrap". Nur welcher Zweck im vorliegenden Fall damit verfolgt wird ist nicht so recht einleuchtend. Ebenso ist auch der zweite Zweig, direkt vom Lautsprecherausgang nach oben zwischen die beiden 100K ? Widerstände nicht so direkt nachvollziebar.

      Ich denke eine detallierte Analyse dieser Schaltung bedarf noch einiger Anstrengung und eines besser lesbaren Schaltbildes.
      Freundliche Grüsse, sagnix
      Hallo zusammen,

      danke für den Beitrag, so werden die Schaltungen auch für Nichtfachleute transparenter.

      Nun zu Achims Frage, da muß ich zuerst eine Frage anstellen und kann wiederum nur eine Vermutung äußern.

      Das gekennzeichnete Bauteil 59 ist eine Induktivität mit Ferritkern?

      Falls ja, könnte Sie zur Einschaltstrombegrenzung (Schonung der Glühlampen) dienen oder zum Ausgleich der kapazitiven Lasten in den Parallelzweigen. --> Blindstrombegrenzung?

      Aber vielleicht melden sich ja Experten noch dazu.

      Gruß
      Wolfgang
      geht nicht - gibt's nicht!
      Hallo Wolfgang,

      es dürfte sich um eine Spule mit Ferritkern handeln. Zur Einschaltstrombegrenzung hätte man einen Widerstand oder NTC verwendet, Induktivitäten sind dafür ungeeignet. Hier ist es sicher eine HF Drossel.
      Aber man muss die Skalenlämpchen nicht vor HF schützen. Auch entsteht in ihnen keine HF, deren Verschleppung man verhindern müsste.
      Möglicherweise sind die Leitungen zu den Lämpchen lang und von ihnen aufgenommene HF soll nicht in den Heizkreis - oder auf der Heizleitung ist HF, die nicht über die Zuleitungen zu den Lampen abgestrahlt werden soll. Da hätte ích aber eher einen Kondensator nach Masse erwartet...
      Achim
      Hallo allerseits,

      bevor wir in die komplizierte Variante der Eisenlsoen Endstufe (Capella 673) einsteigen, sollten wir vielleicht erst einmal die Funktion der einfachen Grundschaltung klären. Darüber wurde schon recht viel abenteuerliches geschrieben.

      Dazu habe ich als Diskussionsgrundlage folgendes Bild "zusammengeschnippelt". Dort ist die von Philips häufig eingesetzte "nackte" Standardschaltung zu sehen.



      Hier meine Vorgabe zur weiteren Diskussion...

      Ausgehend vom eingezeichneten Ruhezustand sehe ich das so: Erreicht eine positive Halbwelle das Gitter der unteren Röhre (Rö7), beginnt diese mehr Strom zu ziehen. Dadurch sinkt die Spannung an der Anode und es beginnt ein Strom über den 300 Ohm Widerstand und den Elko in die Last zu fließen. Der jetzt zunehmende Spannungsabfall an dem 300 Ohm Widerstand steuert das Gitter der oberen Röhre negativ an, so dass sie dem "Abwärtstrend" der Ausgangsspannung keinen Widerstand entgegensetzt.

      Bei der negativen Halbwelle am Steuergitter (Rö7) wird diese hochohmig. So geht die Spannung an der Anode nach oben, der Stromfluss durch den 300 Ohm Widerstand geht gegen null, dadurch wird die obere Röhre leitend. So fließt jetzt der Signalstrom aus der Katode der oberen Röhre über den Elko in die Last.

      Die Gegentaktfunktion wird von dem Spannungsabfall an dem 300 Ohm Widerstand und damit durch den Laststrom "gesteuert". Wenn also die eine Röhre leitender wird, beginnt die andere zu sperren. Obwohl die beiden Röhren wechselspannungsmässig parallel liegen, wird der Strom in den Lastwiderstand immer nur von der jeweils leitenden Röhre geliefert - so wie es in Gegentaktschaltungen allgemein üblich ist. Nur arbeitet bei dieser Endstufe die untere Röhre (Rö7) in Katodenbasisschaltung, während die obere (Rö9) in Anodenbasisschaltung betrieben wird. ---- Dies entspricht somit, bezogen auf die Endtransistoren, den Betriebsbedingungen der, mittlerweile historischen, quasikomplementären Endstufen in der Transistortechnik, wie Achim und Hans es bereits sagten...

      Bei der Endstufe des Capella 673 werden die beiden Röhren direkt mit phasengedrehten Signalen angesteuert, dadurch ist das gegentakt Prinzip hier einfacher zu verstehen, wobei die zusätzliche periphere Beschaltung den "Durchblick" schon sehr erschwert. Deshalb sollte man auch hier versuchen die Schaltung einmal auf das Wesentliche zu reduzieren um deren "Mechanismus" allgemein verständlich zu ergründen.
      Freundliche Grüsse, sagnix
      Hallo allerseits,

      ich habe die 673 Endstufe ein wenig umgezeichnet und auf das Wesentliche abgemagert. Und ich denke jetzt lässt sich auch eine allgemein verständliche Erklärung für die Funktion der einzelnen Komponenten und der Stufe insgesamt finden.



      Das Eingangssignal wird im ersten Triodensystem der ECC83 verstärkt; danach wird es von der Anode über C117 dem Steuergitter der unteren EL86 zugeführt. Gleichzetitig wird das Signal von der Anode dem Gitter des zweiten Triodensystems zugeführt, dort wird es auf dem Weg zur Anode um -180° in der Phase gedreht. Aufgrund der gleichen Größe von R79 und R77 (je 47K) beträgt die Verstärkung 1. Das nun gegenphasige Signal wird dem Steuegitter der oberen EL86 über den mit C115 überbrückten Spannungsteiler gleichstromgekoppelt zugeführt.

      Damit ist die Gegentaktansteuerung der beiden Endröhren gegeben. Bei Ansteuerung der unteren Röhre mit einer positiven Halbwelle wird diese leitend und zieht die Spannung an der Last nach unten, während die obere Endröhre, welche gleichzeitig mit der negativen Halbwelle angesteuert wird stromlos wird und somit dem Absinken der Ausgangsspannung folgt.

      Bei negativer Ansteuerung der unteren Röhre wird diese stromlos, während jetzt die die obere der postiven Halbwelle entsprechend Strom zu ziehen beginnt und in ihrer Eigenschaft als Katodenfolger die Spannung an der Last positiv werden lässt. Damit die Austeuerung des Katodenfolgers, bis auf eine nur geringe Restspannung, genutzt werden kann, wird die Betriebsspannung der zweiten ECC83-Triode über C116 dynamisch angehoben (Bootstrap Effekt). Gleichzeitig trägt auch die über C118 "mitlaufende" Schirmgitterspannung zum optimalen Ausgangsspannungshub bei; so kann die Schirmgitterspannung theoretisch auf 290V anwachsen.

      Ausgehend von der Ruhespannung von 135V am Ausgangselko erreicht die Endstufe einen geschätzten Ausgangsspanungshub von ca. +- 90V; die entspricht einem Effektivwert von etwa 63V. Dies entspräche einer Leistung von ca. 4,9 Watt an einem 800 Ohm Lastwiderstand.

      Über den 100K Widerstand und den 1K Katodenwiderstand der ECC83 wird die Endstufe, incl. der Treiberstufen, zur Verringerung des Gesamtklirrfaktors breitbandig (frequenzunabhängig) gegengekoppelt.
      Freundliche Grüsse, sagnix
      Peter, deine Erklärung ist super !!

      Wenn ich als gelernter Energietechniker schon 90% verstanden habe, sollten andere einigermaßen technisch interessierte Mitleser die prinzipielle Arbeitsweise einer transformatorlosen Endstufe verstanden haben.

      Weitere inputs, besonders die Antwort auf post 007 sind herzlich willkommen.

      Gruß, Dieter

      P.S.: das Gesamtschaltbild gibts nach der Freigabe im DL-Bereich.
      Hallo Peter,

      auch von mir besten Dank für diese beiden klassischen "sagnix Entknotungen".

      Es ist so sehr schön zu sehen, wie durch die getrennte Ansteuerung der Endröhren der "Kathodenwiderstand" R81 330R (und R80) überflüssig weden, was der zweiten Variante eine bestechende Eleganz beschert!
      Ja, so etwas gibt es bei Schaltungen.
      Achim
      Hallo zusammen,

      hier haben wir einen, in diesem Forum leider viel zu selten findenden, in sich
      geschlossenen und thematisch entwickelnden Beitrag,
      der nicht durch unnötige Posts über Kondensatoren- Gleichrichter- und ähnliche immer wiederkehrende Tauschhinweise unterbrochen wird.
      Sehr positiv an diesem Beitrag ist auch, dass er nicht durch Posts unterbrochen wird, die absolut null zum Thema Radio beitragen, wie das in anderen Beiträgen in diesem Forum häufig praktiziert wird.

      Danke an alle Autoren dieses Beitrages über die Philips Capella 673.
      Es macht Freude diesen guten Fachbeitrag ohne unnötige Unterbrechungen lesen zu können.

      Gruß
      Horst
      Tja Horst,

      die Beiträge können wir uns leider nicht aussuchen und eine Zensur scheidet selbstverständlich aus.

      Aber auch die manchmal heterogenen Beiträge machen halt so ein Forum aus, jeder hat einen Gedanken und bringt ihn schnell zu Bildschirm.

      Natürlich lesen sich solche "werbefreien" Blöcke wesentlich angenehmer, insbesondere wenn sie durch so viel Fachkompetenz bestückt sind, die auch noch in einfachen Worten dem nicht so Belesenen verständlich herüber kommt.

      Auch meinen Dank an die Analysten dieser Endstufe.

      Gruß, Dieter
      Hallo Horst,

      es ist sehr schön, auch einmal eine Meinung wie Deine zu hören. Man hat dann nicht nur das Gefühl, eine Vielzahl von Lesern mit grauer Theorie sinnlos zu quälen, sondern auch Manchem etwas Interessantes zu bieten.

      Ein weiteres Detail macht mir Kopfzerbrechen. Da ich ja noch von früher weiß, bei Philips geht´s nicht ohne Nachhilfestunden, beunruhigt mich das aber nicht.



      Wenn man sich die markierten Pfade ansieht, fällt auf, dass das UKW NF Signal (gelb) über C87 abgenommen wird und mit der einzig benutzten Diode der E"B"F89 gleichgerichtet wird. Es entsteht eine negative Spannung deren Höhe vom NF-Pegel abhängt.
      Weiterhin wird die (negative) Ratiospannung über R41 (680K) zugeführt bzw. überlagert (türkis).
      Die resultierende Spannung ist über R47 (1M) mit der Kathode der südlichen EL86 verbunden.
      Zu allem Überfluss steht an der gemeinsamen Verbindung (blauer Kreis) dieser Spannungen auch noch kryptisch "Rauschdiode"...

      Alles deutet hier auf Regelvorgänge hin.
      Achim
      Hallo Dieter,

      ich habe eher die Diode der EBF als "Rauschdiode" in Verdacht, weil der Messpunkt direkt an ihrer Anode liegt.
      Mein erster Gedanke war, dass man ggf. eine Stummschaltung bei UKW realisiert hat, die, wenn kein Signal vorhanden ist, die Lautsstärke reduziert. Aber ich kann keinen Wirkmechanismus nachvollziehen. Die nach Masse mit 100R niederohmige Kathode der EL lässt sich über die Spannung über 1M wohl nicht sonderlich beeindrucken :(
      Achim