Grundig CUC5360 TV-Chassis

      Hallo allerseits,

      um das Jahr 1992 / 1993 gab es bei GRUNDIG, dem letzeten tapfer noch in Deutschland bzw. Europa produzierenden großen Markenhersteller das Chassis CUC5360. Es war mit oder ohne Videotext und mit 63 bzw. 70 cm Bildröhre, mit oder ohne Multinorm zu haben.

      Um die Ecke konnte ich einen Super Color ST63-650 text ergattern, der mir gerade recht kam, da ich für die Verwandschhaft einen Zweitfernseher brauchte. Ich hatte dort schon zwei neue TFT Fernseher von Toshiba und von Panasonic hingestellt, die beide(!) kurz vor bzw. kurz nach Ablauf der Garantie irreparabel ausfielen. Das war genug! Jetzt musste ein Röhrenfernseher her.

      Anforderungen meinerseits waren: 4:3 Bildröhre, diskretes ordentliches Modulchassis, 50 Hz only, lange zu erwartende "Standzeit".

      Der ST63-650 text passte da genau, ein funktionales, reduziertes, gerade im richtigen Maß integriertes durchentwickeltes Chassis.
      Nach meiner Erinnerung auch damals pflegeleicht und gutartig. Ab und an ein Fehler in der Ansteuerung des Schaltnetzteils, hier und da ein ausgefallener DST-Trafo, die ein- oder andere Lötstelle...
      Aber eine durchdachte Konstruktion ohne Hitzeprobleme, präzise und solide in Österreich bzw. Deutschland gefertigt.

      Man sah diesem Chassis natürlich an, dass GRUNDIG zu dieser Zeit schon unter der Ägide von Philips produzierte. Bauteile wie Elkos und ICs waren häufig von Philips, die Befestigungsklammern der Leistungshalbleiter und so manches Detail sprechen eine deutliche Sprache. Aber dennoch stand dieses Chassis noch in der Tradition der damals so bewährten GRUNDIG Einplattenchassis. Es war haltbarer und solider gebaut, als die parallelen Philips Chassis.

      Und so gilt auch hier: Die von GRUNDIG gebauten Chassis laufen und laufen bis heute, die Philips Chassis derselben Generation haben mittlerweile meist Pflegestufe III erreicht.

      Das Gerät war mit Staub und Unrat gefüllt (Bilder nicht zumutbar, habe aus Ärger auch keine gemacht), daher zuerst die Reinigungsarbeiten.

      Hier die einzelnen Baugruppen "nachher":











      Die zu dieser Zeit erreichte Perfektion und Präzision in der Fertigung von Platinen und Chassis ist enorm hoch und mit den Ergebnissen der meisten Mitbewerber nicht zu vergleichen. Hier gab es praktisch keine Toleranzen, Schwachstellen oder Designfehler mehr, alles war durchentwickelt und alle Hausaufgaben waren gemacht - ganz großes Tennis.

      Ich würde in dieser Ära im Consumerbereich nur Sony ein vergleichbares Niveau attestieren, aber die Geräte lagen preislich (unbegreiflicherweise) bei einem Mehrfachen.

      Dann wurde alles wieder eingebaut und kurz getestet. Das Netzteil startete nicht, die alte Geschichte - 2 x 1µF und 1 x 100µF in der Ansteuerung des Schaltnetzteils waren nicht mehr im Sollbereich.

      Die horizontale Linearität stimmt nicht, das wird morgen überprüft.

      Das Bild ist nach dem ersten Eindruck noch sehr gut, was nicht unbedingt sicher war, denn



      eine Dünnhals Videocolor mit Zeilenheizung kann auch ganz anders...
      Achim
      Hallo Achim,

      das könnte fast dasselbe Chassis sein, wie es in meinem Blaupunkt BT63 - 26VT verbaut ist. Allerdings mit Philips Röhre. Das Gerät habe ich 1996 neu gekauft und es läuft noch einwandfrei. Ein Kurzaufenthalt beim örtlichen Radio- und Fernsehtechniker und 15,- Euro habe ich mal investieren müssen.

      Gruß Mattes.
      Moin!
      Schönes Gerät, und sehr zuverlässig.
      Das Gerät wurde im Juno 1993 produziert (woher ich DAS wohl weiß?).
      Der Grund für die unterschiedlichen Bauteile ist die Ablenkeinheit.
      Die Potis mit dem Pertinaxdeckel halten hier, obwohl sie bei Telefunken ständig ausgefallen sind.
      Gruß Gerrit
      yehti postete
      (woher ich DAS wohl weiß?).
      Hallo Gerrit,

      Garantiecode?

      Kein einziges der Trimmpotis hat übrigens irgendwelche Kontaktprobleme.
      Was auch auffällt ist, dass im gesamten Chassis extrem wenig Verlustwärme entsteht. Leistungshalbleiter, Spulen, Kondensatoren und Hochlastwiderstände - alles bleibt kühl, obwohl die Kühlkörper wenig spektakulär sind. Zwei Kühlkörper sind immerhin aus Kupfer.
      Ich habe dementsprechend auch keine wärmegeschädigten Bereiche auf den Platinen gefunden.

      Die Bestückung ist präzise, kein Bauteil sitzt verkippt oder mit unter mechanischer Spannung stehenden Anschlussdrähten, alle Bohrungen und Maskierungen der Lötaugen im Abdecklack und die Beschriftung sind exakt "im pitch".
      Besser geht es doch nicht:



      Das Thema Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle wurde auf jeden Fall sehr ernst genommen.

      Der gesamte Netzeingang ist auch vorbildlich ausgeführt und bestückt.
      Achim
      Hallo Achim,
      ich verstehe ja leider fast nichts von der TV-Technik, aber wie schon bei den anderen von Dir vorgestellten Modellen sind bildliche und textlich niedergelegte Dokumentation wieder einmal eine große Freude! So wird den Entwicklern und Konstrukteuren wenigstens im Nachhinein die Ehre zuteil, die sie m.E. voll verdient haben.
      Bei mir kommt immer große Wehmut auf, daß diese "goldene Zeit" europäischer Qualitätsproduktion von Geräten für den Heimanwender längst hinter uns liegt...
      Viele Grüße
      Eberhard
      Hallo Eberhard,

      da gäbe es so Vieles zu zeigen und zu kommentieren, schließlich war der TV-Markt jahrzehntelang ein Massenmarkt mit schnellem Generationswechsel und dynamischer technischer Entwicklung mit vielen Anbietern.

      Die Innereien von Fernsehgeräten hatten und haben (leider) ein wenig öffentlichkeitswirksames Dasein gefristet. Weder der Kunde interessierte sich dafür (sonst hätte er so manches Mal eine andere Kaufentscheidung getroffen), noch gibt es allzuviele Interessierte in der folgenden Epoche, also heute.

      So blieb die Konfrontation und Auseinandersetzung mit dieser Technik, nachdem die Geräte das Werk verlassen hatten, in der Regel auf die Techniker im Service beschränkt. Auch von denen hatte nicht jeder ein enges Verhältnis zur Technik, so dass er nach Feierabend oder im Ruhestand noch einen Gedanken an die Materie verschwendet hätte.

      Nun habe ich mein halbes Leben hinter Fernsehern verbracht, insbesondere Grundig, da ist jedes Wiedersehen mit einem alten Chassis wie ein Treffen mit einem Kumpel von früher.


      Die Ausgewogenheit und der Grad der Erreichung der Ziele im Spannungsfeld

      Leistung-Stabilität-Haltbarkeit-Servicefreundlichkeit-Verarbeitungsqualität

      sichern Grundig gerade im TV-Bereich eindeutig den Spitzenplatz unter den Deutschen Herstellern und einen Platz auf der Siegertreppe weltweit.

      Das successive Ausscheiden der Deutschen Mkenhersteller ist in der Tat ein trauriges Kapitel.
      Die Übernahmen und das sich bald anschließende Verschwinden von Saba, Telefunken, Nordmende etc. war sehr bedauerlich, im Fall von Grundig war es schmerzhaft.
      Achim
      Hallo Peter,

      die Anschlussstifte des DST waren ab Werk üppig von Hand nachgelötet.

      Die Stifte für den Ablenkstecker waren nicht von Hand nachgelötet, das habe ich gewohnheitsmäßig nachgeholt, dabei aber am Blasenwurf im Lützinn gemerkt, dass die Stifte werkseitig in durch die Platine durchgesteckte Hülsen, eine Art Durchkontaktierung eingelötet waren. Das dürfte eine noch wirkungsvollere Maßnahme zur Lebensverlängerung der Lötstellen gewesen sein.
      Außerdem ist das ja noch ein 50 Hz Gerät, da geht es noch weniger stressig zu.

      Ich sag ja - zu diesem Zeitpunkt waren bei GRUNDIG die Hausaufgaben fast alle erledigt :)
      Achim
      Hallo,

      Ablenkstecker und die dazugehörigen Lötstifte waren wohl Schwachstellen dieses Chassis, siehe auch meinen Beitrag über eine - zugegebenermaßen rustikale - Lösung zur Reparatur des Ablenksteckers:
      repdata.de/wbb2/forum/index.ph…-post-list/14489-kalle2k/

      Im übrigen läuft der Grundig SE7086 TOP seit fast 20 Jahren problemlos, jetzt als Wiedergabegerät an einem DVB-T-Empfänger; abgesehen von der Ersatzlösung für den Ablenkstecker mußte ich das Vertikal-IC TDA8214 und irgendeine Leistungsdiode in der Horizontalendstufe mal erneuern.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „kalle2k“ ()

      Hallo,

      meiner Erinnerung nach lag es an der Lötstelle zumindest eines der Lötstifte; aufmerksam wurde ich während des Betriebs durch Gestank und Rauchentwicklung, da die Pertinax-Platte an dieser Stelle gekokelt hatte. Das Gerät hatte ich sofort ausgeschaltet, ich weiß aber nicht mehr, ob es bis zum Ausschalten gelaufen ist oder ob irgendeine Schutzschaltung wegen der Kontaktprobleme bereits angesprochen hatte.

      Jedenfalls konnte ich die Lötstifte wegen des enstandenen Lochs nicht mehr an der vorgesehenen Stelle befestigen, vielmehr hatte ich durch das in der Printplatte nun vorhandene Loch zwei isolierte Litzen geführt, auf der Lötseite mit der Leiterplatte verbunden und auf der anderen Seite die Verbindung zu den Ablenkspulen über eine Lüsterklemme hergestellt. Funktioniert tadellos, jedenfalls besser als eine offensichlich unterdimensionierte Steckverbindung.
      Hallo,

      das ist so eine Frage von Ei und Henne.
      Hat eine Lötstelle, die mit der Zeit einen Übergangswiderstand bekommen hat, sich so erwärmt, dass der Lötnagel sich überhitzt und den Stecker verformt hat oder hat ein Übergangswiderstand am Steckkontakt den Lötnagel erhitzt, so dass die Lötstelle unter der Platine mit der Zeit zersetzt wurde?

      Für das erste Szenario ist eine hohe elektrische Belastung der Lötstelle die Voraussetzung. So gab es bei vielen Herstellern "ausgezehrte" Lötstellen an Zeilentrafos, Transduktoren, Kondensatoren, Linearitätsspulen etc. - alles im Horizontalablenkbereich, wo höhere Ströme bei einer Frequenz von 15,625 KHz auftreten.
      Hier halfen nur: Gutes Lötzinn, große und dicke Lötstellen, großflächigere Leiterbahnen und durch das Basismaterial gesteckte "Nieten", was alles eine größere Kontaktfläche und bessere Kühlung bewirkt. Das Problem hat man mt der Zeit gut in den Griff bekommen.

      So würde ich vermuten, dass die Probleme im Fall der CUC5360 eher durch sich lockernde Steckverbinder beim Ein- oder Ausbau des Chassis, durch Verkantung oder durch Materialfehler bei den Steckern (Federkraft, Kontaktoberfläche, Quetschverbindung der Leitung) verursacht wurden.

      Natürlich leidet, wenn es oben an der Übergangsstelle Stecker-Lötstift heiss wird, mit der Zeit auch die Lötstelle unter Deck, da der Stift die Hitze dorthin überträgt.
      Möglich auch, dass während der Fertigung eine Änderung erfolgte und Hülsen in die Bohrungen eingebracht wurden, weshalb das Problem dann nicht mehr auftrat.

      Bei vielen Chassis sind für die Steckverbindung zur Horizontalablenkspule 2 x 2 Steckkontakte parallelgeschaltet.

      Nicht umsonst sind Probleme an Ablenksteckern allgemein eine Seltenheit.
      Achim