Neue Rottweiler Zeitung (18.10.2004)
Die Jazz-Szene Europas, vielleicht der ganzen Welt, trägt schwarzen Flor. Eine der großen prägenden Gestalten der deutschen Jazz-Szene ist von uns gegangen: Hans Georg Brunner-Schwer. Es geschah letzte Woche, am Donnerstag, dem 14. Oktober 2004. Bei seinem Abendspaziergang überquerte der 77-Jährige einen Fußgängerüberweg und wurde frontal von einem Auto erfasst, durch die Luft geschleudert und erlag noch am selben Abend seinen Verletzungen. Aber erzählen wir seine Geschichte von Anfang an. Brunner-Schwer gilt als eine Ikone der Jazzwelt. Wer ihn nicht namentlich kennt, dem ist jedoch der Name SABA ("Schwarzwälder Apparatebauanstalt") sicherlich ein Begriff. Der Jazz-Fan war Spross dieser legendären Industriellen-Familie. Rasierer und Fahrradglocken waren die ersten Produkt-Highlights. Dann kam das Radio. Der Markt für derartige Erzeugnisse boomte damals. Eines der Modelle war schon sehr früh populär und trug während des "Tausendjährigen Reiches" sogar den Namen "Göbbels-Schnauze". SABA entdeckte sehr früh auch die HiFi- und Fernsehtechnolgie für sich und etablierte sich im Nachkriegsdeutschland als eine der ganz großen, führenden Marken. In den prosperierenden Früh-Siebzigern hatte das Unternehmen bis zu 6000 Mitarbeiter.
Aus dieser Industriellen-Dynastie stammt der von Anfang an musisch interessierte und begabte Hans Georg. Im Salon der Kinderzeit stand ein Steinway-Flügel. Das Piano war Ausgangspunkt seiner Musik-Faszination. Nicht von ungefähr war also der kanadische Pianist Oscar Peterson schon früh zu Gast in der Villa des Hans Georg Brunner-Schwer, von Zeitgenossen auch gern "Millionen-Schwer" genannt. Als wohlhabender SABA-Erbe (1968 wurde der Betrieb verkauft) kann es sich HGBS leisten, den von ihm geschätzen Musikern ein exklusives Ambiente anzubieten. Noch im selben Jahr gründet er das Label MPS - "Musikproduktion Schwarzwald". Damit war ein Mythos geboren.
Seine Villa war bereits seit den frühen Sechzigern Treffpunkt der Jazz-Szene. Seit 1963 machte er Aufnahmen im hauseigenen Tonstudio. Mit sicherem Instinkt holte Brunner-Schwer immer mehr Musiker von internationalem Format nach Villingen: Neben Oscar Peterson auch Größen wie George Duke, Dave Pike, Ella Fitzgerald, Alphonse Mouzon, Wolfgang Dauner, Eberhard Weber, Peter Herbolzheimer, Volker Kriegel, Joe Pass, Albert Mangelsdorff, Stéphane Grappelli, Horst Jankowski, Mary Lou Williams, die Singers Unlimited und das Erwin Lehn Orchester.
Hans Georg Brunner-Schwer machte es den von ihm so geschätzten Musikern leicht, sich im Schwarzwald wohl zu fühlen. Gleichermaßen Jazz-Produzent wie Jazz-Mäzen, bemühte er sich stets um das Wohlergehen seiner Gäste. Er gab ausschweifende Partys und besorgte den Musikern Kost und Logis vom Feinsten (was Jazz-Musiker in den sechziger und siebziger Jahren sehr zu schätzen wussten). Neben dem freundschaftlichen Verhältnis genossen die Musiker aber auch seine fachliche Kompetenz, die er als früherer "Technischer Geschäftsführer" bei SABA sowieso mitbrachte.
Als Produzenten für viele seiner über 500 Platten gewann er den "Jazz-Papst" Joachim-Ernst Berendt. Merkwürdig: Der Zufall, das Schicksal, die bedenkenswerte Fügung will es, dass beide, die so lange Jahre zusammen arbeiteten, im gleichen Lebensjahr auf die gleiche Art und Weise starben. Berendt wurde (ebenfalls 77-jährig) im Februar 2000 beim Überqueren einer Straße Opfer eines Verkehrsunfalls. - Berendt wird vor allem als Jazz-Publizist im Bewusstsein bleiben, die Leistung von Brunner-Schwer als visionärer Labelchef wird aber wohl jetzt erst richtig entdeckt und gewürdigt.
Jeder, der eine gut erhaltene SABA- oder MPS-Schallplatte sein Eigen nennt, besitzt ein kostbares Sammlerstück. Aber nicht nur das Sammeln lohnt sich, auch das Anhören. Manche Stücke klingen erstaunlich frisch und aktuell, was auf dem hier bereits vorgestellten Sampler "Supercool" zu hören ist. Das unschätzbare Erbe von Hans Georg Brunner-Schwer wird also auch in die Zukunft hinüberleuchten. Die Legende lebt.
--Bernd Kammerer
Jazzthing (22.10.2004)
Am 22. Oktober wird der ehemalige Saba-Geschäftsführer Hans Georg Brunner-Schwer in Villingen beigesetzt.
Der 77-jährige war am 14. Oktober bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt worden. Seit 1963 hatte Brunner-Schwer Schallplatten produziert, 1968 gründete er mit MPS (Musik Produktionen Schwarzwald) das erste deutsche Jazzlabel. Oscar Peterson war bei ihm unter Vertrag, Wolfgang Dauner wurde von ihm entdeckt, Joachim Ernst Berendt produzierte für MPS und machte das Label auch in den USA bekannt. Von Horst Jankowski über Hans Koller bis zu Cecil Taylor reicht das Spektrum der MPS-Künstler. 1983 verkaufte Brunner-Schwer seine Firma an Polygram, heute wird der umfangreiche MPS-Katalog von Universal Jazz Deutschland wiederveröffentlicht, jüngst erst erschienen die Sampler "MPS Jazzworks" und "MPS Jazzreworks".
Zusammengestellt von Axel Stinshoff und Christian Broecking
JazzEcho (22.10.2004)
Im Alter von 77 Jahren kam am 14. Oktober 2004 der legendäre MPS-Gründer, Toningenieur und Produzent Hans Georg Brunner-Schwer ums Leben. Innerhalb von nur vier Jahren hat die deutsche Jazzszene nun ihre beiden wohl bedeutendsten Impresarios verloren: Nachdem am 4. Februar 2000 schon Joachim Ernst Berendt beim Überqueren einer Straße in Hamburg von einem Auto erfaßt worden war und tödliche Verletzungen erlitt, ereilte nun Hans Georg Brunner-Schwer in seiner Heimatstadt Villingen ein ganz ähnliches tragisches Schicksal. Wie Berendt wurde auch Brunner-Schwer 77 Jahre alt.
Die deutsche und internationale Jazzgeschichte prägte der am 29. Juli 1927 geborene Industriellen- und Musikersohn vor allem in dem Vierteljahrhundert von 1958 bis 1983, als er auf den beiden Plattenlabels SABA und MPS neben etlichen anderen Musikeinspielungen der verschiedensten Gattungen auch über 500 Alben mit hochkarätiger und richtungsweisender Jazz- und Weltmusik veröffentlichte. Selbst nachdem er sich offiziell aus dem Geschäft zurückgezogen und die Rechte an den niederländischen Philips-Konzern abgetreten hatte (von wo sie dann in die Hände von Universal Music übergingen), stand Brunner-Schwer seit 1992, als Christian Kellersmann bei der Jazzabteilung der damaligen PolyGram die ersten liebevollen MPS-Wiederveröffentlichungen auf CD herauszubringen begann, mit Rat und Tat und ansteckendem Enthusiasmus zur Verfügung, wenn es darum ging, die alten MPS-Schätzeaus den Archiven zu bergen und tontechnisch neu aufzupolieren.
Zwar war Brunner-Schwer das Startkapital für seine Unternehmungen im Jazz durch Erbschaft in den Schoß gefallen (von Freunden wurde er deshalb scherzhaft auch "Millionen-Schwer" genannt), seine auch in den USA neidlos anerkannten überragenden Fähigkeiten als Tontechniker und Musikproduzent mußte er sich aber wie jeder andere hart erarbeiten. Unter deutschen, europäischen und amerikanischen Jazzmusikern genoß Brunner-Schwer, der die englische Sprache nur leidlich beherrschte, einen hervorragenden Ruf: Sie schätzten ihn nicht nur als Produktionspartner, sondern auch als großzügigen Gastgeber und vorurteilslosen Freund.
Mit derselben Unvoreingenommenheit, mit der Brunner-Schwer einst Alben der verschiedensten Jazzrichtungen (von Swing bis Free) produziert hatte, unterstützte er bis zuletzt auch die CD-Wiederveröffentlichungen des MPS-Kataloges bei Universal Music innerhalb der "Most Perfect Sound"-Serie.
Die deutsche Jazzszene hat in Hans Georg Brunner-Schwer eine ihrer herausragenden Persönlichkeiten verloren. Sein Pioniergeist wird jedoch auf den von ihm produzierten und aufgenommenen MPS-Alben weiterleben.
Die Jazz-Szene Europas, vielleicht der ganzen Welt, trägt schwarzen Flor. Eine der großen prägenden Gestalten der deutschen Jazz-Szene ist von uns gegangen: Hans Georg Brunner-Schwer. Es geschah letzte Woche, am Donnerstag, dem 14. Oktober 2004. Bei seinem Abendspaziergang überquerte der 77-Jährige einen Fußgängerüberweg und wurde frontal von einem Auto erfasst, durch die Luft geschleudert und erlag noch am selben Abend seinen Verletzungen. Aber erzählen wir seine Geschichte von Anfang an. Brunner-Schwer gilt als eine Ikone der Jazzwelt. Wer ihn nicht namentlich kennt, dem ist jedoch der Name SABA ("Schwarzwälder Apparatebauanstalt") sicherlich ein Begriff. Der Jazz-Fan war Spross dieser legendären Industriellen-Familie. Rasierer und Fahrradglocken waren die ersten Produkt-Highlights. Dann kam das Radio. Der Markt für derartige Erzeugnisse boomte damals. Eines der Modelle war schon sehr früh populär und trug während des "Tausendjährigen Reiches" sogar den Namen "Göbbels-Schnauze". SABA entdeckte sehr früh auch die HiFi- und Fernsehtechnolgie für sich und etablierte sich im Nachkriegsdeutschland als eine der ganz großen, führenden Marken. In den prosperierenden Früh-Siebzigern hatte das Unternehmen bis zu 6000 Mitarbeiter.
Aus dieser Industriellen-Dynastie stammt der von Anfang an musisch interessierte und begabte Hans Georg. Im Salon der Kinderzeit stand ein Steinway-Flügel. Das Piano war Ausgangspunkt seiner Musik-Faszination. Nicht von ungefähr war also der kanadische Pianist Oscar Peterson schon früh zu Gast in der Villa des Hans Georg Brunner-Schwer, von Zeitgenossen auch gern "Millionen-Schwer" genannt. Als wohlhabender SABA-Erbe (1968 wurde der Betrieb verkauft) kann es sich HGBS leisten, den von ihm geschätzen Musikern ein exklusives Ambiente anzubieten. Noch im selben Jahr gründet er das Label MPS - "Musikproduktion Schwarzwald". Damit war ein Mythos geboren.
Seine Villa war bereits seit den frühen Sechzigern Treffpunkt der Jazz-Szene. Seit 1963 machte er Aufnahmen im hauseigenen Tonstudio. Mit sicherem Instinkt holte Brunner-Schwer immer mehr Musiker von internationalem Format nach Villingen: Neben Oscar Peterson auch Größen wie George Duke, Dave Pike, Ella Fitzgerald, Alphonse Mouzon, Wolfgang Dauner, Eberhard Weber, Peter Herbolzheimer, Volker Kriegel, Joe Pass, Albert Mangelsdorff, Stéphane Grappelli, Horst Jankowski, Mary Lou Williams, die Singers Unlimited und das Erwin Lehn Orchester.
Hans Georg Brunner-Schwer machte es den von ihm so geschätzten Musikern leicht, sich im Schwarzwald wohl zu fühlen. Gleichermaßen Jazz-Produzent wie Jazz-Mäzen, bemühte er sich stets um das Wohlergehen seiner Gäste. Er gab ausschweifende Partys und besorgte den Musikern Kost und Logis vom Feinsten (was Jazz-Musiker in den sechziger und siebziger Jahren sehr zu schätzen wussten). Neben dem freundschaftlichen Verhältnis genossen die Musiker aber auch seine fachliche Kompetenz, die er als früherer "Technischer Geschäftsführer" bei SABA sowieso mitbrachte.
Als Produzenten für viele seiner über 500 Platten gewann er den "Jazz-Papst" Joachim-Ernst Berendt. Merkwürdig: Der Zufall, das Schicksal, die bedenkenswerte Fügung will es, dass beide, die so lange Jahre zusammen arbeiteten, im gleichen Lebensjahr auf die gleiche Art und Weise starben. Berendt wurde (ebenfalls 77-jährig) im Februar 2000 beim Überqueren einer Straße Opfer eines Verkehrsunfalls. - Berendt wird vor allem als Jazz-Publizist im Bewusstsein bleiben, die Leistung von Brunner-Schwer als visionärer Labelchef wird aber wohl jetzt erst richtig entdeckt und gewürdigt.
Jeder, der eine gut erhaltene SABA- oder MPS-Schallplatte sein Eigen nennt, besitzt ein kostbares Sammlerstück. Aber nicht nur das Sammeln lohnt sich, auch das Anhören. Manche Stücke klingen erstaunlich frisch und aktuell, was auf dem hier bereits vorgestellten Sampler "Supercool" zu hören ist. Das unschätzbare Erbe von Hans Georg Brunner-Schwer wird also auch in die Zukunft hinüberleuchten. Die Legende lebt.
--Bernd Kammerer
Jazzthing (22.10.2004)
Am 22. Oktober wird der ehemalige Saba-Geschäftsführer Hans Georg Brunner-Schwer in Villingen beigesetzt.
Der 77-jährige war am 14. Oktober bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt worden. Seit 1963 hatte Brunner-Schwer Schallplatten produziert, 1968 gründete er mit MPS (Musik Produktionen Schwarzwald) das erste deutsche Jazzlabel. Oscar Peterson war bei ihm unter Vertrag, Wolfgang Dauner wurde von ihm entdeckt, Joachim Ernst Berendt produzierte für MPS und machte das Label auch in den USA bekannt. Von Horst Jankowski über Hans Koller bis zu Cecil Taylor reicht das Spektrum der MPS-Künstler. 1983 verkaufte Brunner-Schwer seine Firma an Polygram, heute wird der umfangreiche MPS-Katalog von Universal Jazz Deutschland wiederveröffentlicht, jüngst erst erschienen die Sampler "MPS Jazzworks" und "MPS Jazzreworks".
Zusammengestellt von Axel Stinshoff und Christian Broecking
JazzEcho (22.10.2004)
Im Alter von 77 Jahren kam am 14. Oktober 2004 der legendäre MPS-Gründer, Toningenieur und Produzent Hans Georg Brunner-Schwer ums Leben. Innerhalb von nur vier Jahren hat die deutsche Jazzszene nun ihre beiden wohl bedeutendsten Impresarios verloren: Nachdem am 4. Februar 2000 schon Joachim Ernst Berendt beim Überqueren einer Straße in Hamburg von einem Auto erfaßt worden war und tödliche Verletzungen erlitt, ereilte nun Hans Georg Brunner-Schwer in seiner Heimatstadt Villingen ein ganz ähnliches tragisches Schicksal. Wie Berendt wurde auch Brunner-Schwer 77 Jahre alt.
Die deutsche und internationale Jazzgeschichte prägte der am 29. Juli 1927 geborene Industriellen- und Musikersohn vor allem in dem Vierteljahrhundert von 1958 bis 1983, als er auf den beiden Plattenlabels SABA und MPS neben etlichen anderen Musikeinspielungen der verschiedensten Gattungen auch über 500 Alben mit hochkarätiger und richtungsweisender Jazz- und Weltmusik veröffentlichte. Selbst nachdem er sich offiziell aus dem Geschäft zurückgezogen und die Rechte an den niederländischen Philips-Konzern abgetreten hatte (von wo sie dann in die Hände von Universal Music übergingen), stand Brunner-Schwer seit 1992, als Christian Kellersmann bei der Jazzabteilung der damaligen PolyGram die ersten liebevollen MPS-Wiederveröffentlichungen auf CD herauszubringen begann, mit Rat und Tat und ansteckendem Enthusiasmus zur Verfügung, wenn es darum ging, die alten MPS-Schätzeaus den Archiven zu bergen und tontechnisch neu aufzupolieren.
Zwar war Brunner-Schwer das Startkapital für seine Unternehmungen im Jazz durch Erbschaft in den Schoß gefallen (von Freunden wurde er deshalb scherzhaft auch "Millionen-Schwer" genannt), seine auch in den USA neidlos anerkannten überragenden Fähigkeiten als Tontechniker und Musikproduzent mußte er sich aber wie jeder andere hart erarbeiten. Unter deutschen, europäischen und amerikanischen Jazzmusikern genoß Brunner-Schwer, der die englische Sprache nur leidlich beherrschte, einen hervorragenden Ruf: Sie schätzten ihn nicht nur als Produktionspartner, sondern auch als großzügigen Gastgeber und vorurteilslosen Freund.
Mit derselben Unvoreingenommenheit, mit der Brunner-Schwer einst Alben der verschiedensten Jazzrichtungen (von Swing bis Free) produziert hatte, unterstützte er bis zuletzt auch die CD-Wiederveröffentlichungen des MPS-Kataloges bei Universal Music innerhalb der "Most Perfect Sound"-Serie.
Die deutsche Jazzszene hat in Hans Georg Brunner-Schwer eine ihrer herausragenden Persönlichkeiten verloren. Sein Pioniergeist wird jedoch auf den von ihm produzierten und aufgenommenen MPS-Alben weiterleben.
Mike Rosoft,