Transistormessung: Stromverstärkung und Basis-Emitter-Spannung

      Transistormessung: Stromverstärkung und Basis-Emitter-Spannung

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      Transistor ist Transistor, Hauptsache Polarität, Strombelastbarkeit und Spannungsfestigkeit passen? Angeregt durch einige der letzten Diskussionen zur Saba-Endstufe und auch zum Citation 12 bin ich der Frage nachgegangen, ob man durch die einfach realisierbaren Messungen von Ube und Stromverstärkung bei üblichen Leistungstransistoren Unterschiede sieht.



      Das war mein Setup für die NPN-Variante: zwei variable Laborstromversorgungen, passender Basiswiderstand, drei Messinstrumente.
      Bei Strömen oberhalb von 500 mA erwärmt sich der Transistorchip durch die anfallende Verlustleistung relativ schnell, was dann in ansteigender Stromverstärkung und abfallender Basis-Emitterspannung sichtbar wird. Für eine Charakterisierung wie hier ist das unangenehm. Ich habe deshalb eine relativ niedrige Kollektor-Emitter-Spannung von nur 3,5 Volt gewählt. In Datenblättern findet man oft 5 Volt, manchmal auch nur 2 Volt. Letzteres war bei einigen von mir untersuchten Transistoren zu niedrig, um auf den von mir anvisierten maximalen Kollektorstrom von ca. 5 Ampere zu kommen, deshalb der Zwischenwert. Um den Temperatureffekt möglichst gering zu halten, habe ich die Transistoren auf einen Kühlkörper montiert und etwas Spiritus als Wärmeleitmittel auf die Montageflächen gegeben. Der hält zwischen den Montageflächen lange genug für so eine Messreihe durch und hinterlässt kaum Spuren.
      Außerdem habe ich immer mit dem höchsten Stromwert in einer Serie begonnen und da auch auf kurze Einschaltzeiten geachtet. Damit heizt sich der Kühlkörper schon bei den ersten Messungen etwas auf, hält aber die Wärme dann lang genug, damit auch die Messungen mit geringer Verlustleistung noch eine erhöhte Temperatur im Vergleich zur Umgebung sehen.
      Dennoch, ganz frei von Temperatureinflüssen ist diese Messung nicht. Ein paar Grad Temperaturunterschied und damit gut und gerne 10-15 mV Fehler bei den U_BE-Werten und vielleicht 5 % Fehler bei der Bestimmung der Stromverstärkung stecken in den folgenden Messreihen.

      Das untere Ende der Skala war ca. 1 mA Kollektorstrom. Sehr wenig, für Leistungstransistoren fangen die Datenblattangaben oft erst bei 100 mA an. Um aber auch das Verhalten bei Ruhestrom oder kurz darüber einschätzen zu können, wollte ich diesen geringen Stromfluss mit aufnehmen. Ich habe das durch Variieren der Basiswiderstände realisiert. Zum Einsatz kamen 100 Ohm, 1 kOhm, 10 kOhm und 100 kOhm, Zwischenwerte ließen sich dann bequem durch Variieren der Spannung der Basisstromversorgung erzielen.



      Vergleich der Stromverstärkung verschiedener Leistungstransistoren
      Die ISC-Typen 2SC2987A, MJL3281A und auch der BD245C stammen aus moderner Produktion, 2005 - 2020. Der TIP35C stammt von ST und wurde in den 90er Jahren produziert. Zwei weitere BD245C von TI stammen aus der Zeit, als Saba noch den 9241 produziert hat, Ende 70er, Anfang 80er Jahre.
      Erstaunlich finde ich den Unterschied zwischen "modernem" ISC-BD245 und den NOS-Typen. Letztere weisen einen ausgesprochenen Peak bei der Stromverstärkung im Bereich von 100 - 1000 mA Ic auf, während das modernere ISC-Exemplar bis ca. 2 Ampere nur geringe Abweichungen vom Max-Wert zeigt. Es wird auch deutlich, dass der MJL3281A seinem Anspruch als Audiotransistor gerecht wird, der bis vier Ampere Ic einen sehr gleichmäßigen und stabilen Verstärkungsfaktor aufweist.
      Für geringe Verzerrungen, auch bei stark gegengekoppelten Verstärkern, ist es wünschenswert, einen solchen flachen Verlauf der Stromverstärkung zu nutzen. Aus dieser Sicht wäre für Saba-Endstufen der ISC-Transistor dem NOS vorzuziehen.



      Gleiche Messung, dieses Mal nur BD245C/ BD246C. Die beiden NPN-NOS-Typen zeigen fast identisches Verhalten. Der PNP-Typ jedoch weist einen Peak von über 200 auf. Erst oberhalb von 1 Ampere Ic nähert er sich seinem NPN-Pendant an. Für die für übliche Hörlautstärke relevanten 100 - 500 mA unterscheiden sie sich stark. Bei gezielter Paarung von Transistoren sollte man sich also nicht nur auf einen Wert für Ic begnügen.
      Wie schon erwähnt, der BD245C von ISC weist keinen Abfall der Stromverstärkung bei niedrigen Kollektorströmen auf. Das sehe ich als Vorteil hinsichtlich entstehender Verzerrungen, es kann aber auch zu Problemen hinsichtlich Stabilität führen.
      Der Messaufbau kann für PNP nahezu unverändert genutzt werden. Ich habe lediglich die Stromversorgungen umgepolt. Da meine verwendeten Messinstrumente gleichermaßen für positive und negative Spannungen arbeiten, war ihre Umpolung nicht erforderlich. Der Übersicht halber habe ich in den Diagrammen dann für die korrekterweise negativen Messwerte das Vorzeichen getauscht.



      Basis-Emitter-Spannung dieser Transistoren. Für die Messung reicht es übrigens nicht, nur den Basisstrom fließen zu lassen. Das führt zu deutlich niedrigeren Werten. Ic beeinflusst den Spannungswert.

      Bei der Ruhestromstabilität spielt das Ube-Verhalten eine Rolle, wobei man sieht, im interessierenden Bereich von 20 - 100 mA verlaufen die Kurven dieser Transistoren weitgehend parallel. Am oberen Ende, oberhalb von 1 Ampere Ic, gibt es dann aber doch Unterschiede. Die leistungsfähigen Typen MJL3281 und 2SC2987A weisen einen flacheren Anstieg auf.
      Der TIP35C disqualifiziert sich bei dieser Messung als möglicher Ersatz für die SABA-Endstufen. Von vornherein weist er deutlich höhere Ube-Werte auf als die restlichen Typen und oberhalb von 1 Ampere Kollektorstrom nimmt seine Basis-Emitterspannung wesentlich stärker zu als bei den anderen Typen. Dieser Effekt und sein deutlich früher einsetzender Abfall der Stromverstärkung bei hohen Strömen würden mich dann doch eher zu BD245 greifen lassen.



      Hier ist noch der Vergleich für die BD245/ BD246 hinsichtlich ihrer Basis-Emitter-Spannungen. Bei dieser Messung reiht sich der BD246C brav in in die Gruppe ein.


      Für zwei dieser Transistortypen habe ich auch mal eine solche Messreihe in der Simulation durchlaufen lassen. Nun ja, je nach Model kommen ganz unterschiedliche Ergebnisse zustande. Für den BD245C habe ich keins, aber für den BD243C habe ich mehrere. Eins von OnSemiconductor zeigte den Stromverstärkungspeak, ein anderes nicht. Und beim Verlauf für Ube liegen fast alle daneben, vor allem bei höheren Strömen weisen die Modelle in der Regel eine deutlich höhere Spannung zwischen Basis und Emitter aus. Beim Model für den MJL3281A weist die Simulation bei 5 A Ic 1,1 Volt aus, die Messung lag bei nur 0,832 Volt.





      Das Model stammt aus der Bibliothek, die mit Microcap geliefert und gehört den Angaben in der Datei nach zu Motorola-Transistoren, Zeitraum 1998.
      Simulationen zum Ruhestromverhalten sind also mit Vorsicht zu genießen, zumindest bezüglich der Werte der Widerstände rund um den Ruhestromtransistor.


      .MODEL MJL3281A NPN (BF=139.247 BR=4.98984 CJC=5E-10 CJE=1E-07 EG=1.11986
      + FC=0.1 IKF=10 IKR=4.37516 IRB=0.111742 IS=6.5498E-11 ISC=3.25E-13
      + ISE=7.75232E-12 ITF=41.8156 MJC=0.85 MJE=0.450375 MJS=0.5 NC=3.96875
      + NE=3.34341 NF=1.00176 NR=1.09511 RB=11.988 RBM=0.102914 RC=0.209833
      + RE=0.00127227 TF=7.04629E-10 TR=1E-07 VAF=46.776 VAR=4.32026 VJC=0.4 VJE=0.4
      + VJS=0.75 VTF=2.06045 XCJC=0.959922 XTB=0.115253 XTF=1000 XTI=1.03146)

      Viele Grüße,
      Christian
      **************************************************
      2 + 2 = 5 (für extrem große Werte von 2)

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      Interessante Analyse ! Der Versuch, den Verstärkungsfaktor weniger abhängig vom Strom zu machen, war ja lange eine treibende Kraft bei der Weiterentwicklung, das beschreibt auch Self in seinem Buch.

      Was mich noch interessieren würde: Wieviel hiervon kann man einigermassen gut mit einem (einfachen) Kennlinienschreiber ablesen ? Es gibt professionelle (z.B. von Tektronix), aber auch einfachere, die man dann an ein Oszi anschliessen kann (z.B. von Leader). Eigentlich sollte das damit doch auch gut gehen ...

      Besten Gruss,

      Michael

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      Prima Daten!

      Die "Rote Laterne" für TIP35C wegen Ube habe ich mir gleich abgespeichert.

      Was auch bemerkenswert ist:
      Die schlechte Propaganda, die teilweise immer noch gegen Transistoren aus ISC-Fertigung an einigen Stellen gemacht wird, ist auch hier wieder einmal widerlegt. Weitgehend konstante Verstärkung über einen großen Bereich des Kollektorstroms, so wünscht man es sich.

      Gruß
      Reinhard

      PS:

      Ich habe 10 nigelnagelneue TIP35C von ST abzugeben, alle mit gleichem hFE, extrem wenig Exemplarstreuung.
      Und dazu ebenfalls 10 nigelnagelneue TIP36C von ST, auch mit extrem kleiner hFE-Exemplarstreuung.
      hfE dieser TIP36C und TIP35C wie in den ST Datenblättern.

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      Der Hinweis auf ISC ist absolut berechtigt. Ich weiss, dass die Firma SAC schon lange die Transistoren von ISC in ihren "Igeln" eingesetzt hat, weil sie dort einfach bessere Ergebnisse lieferten, und sogar ältere Versionen auf ISC umgestellt haben. Problem mit Lebensdauer oder Haltbarkeit gab es nicht, die Streuung war wohl auch geringer als bei anderen Herstellern.

      Also, solange es sich nicht um billige chinesische Kopien dieses chinesischen Herstellers handelt (die es m.W. auch schon gibt), ist ISC eine sehr gute Wahl. Hier vielleicht sogar erste Wahl ?

      Ich habe auch noch einige BD 245 C und 246 C von TI, NOS, falls jemand Interesse daran hat, zudem genug von den B-Varianten, auch alle TI. Die sind vielleicht nicht ganz so gut, entsprechen dafür aber der originalen Bestückung. Beide Varianten (TI und ISC) führen jedenfalls zu guten Ergebnissen.

      Besten Gruss,

      Michael

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      Anmerkung zu Erwärmung der Leistungstransistoren

      Angaben in Datenblättern beziehen sich meist auf 25 °C für alle Arbeitspunkte.
      Das hat den Vorteil, daß man alle Werte direkt miteinander vergleichen kann.
      Die Hersteller umgehen das Problem der Eigenerwärmung recht einfach.
      Es wird nicht kontinuierlich gemessen, sondern nur an Impulsen mit z.B. 1 ms Dauer.
      Da umgeht man das Problem der Eigenerwärmung, sofern man genug Pause lässt.
      Mit etwas Aufwand könnte man das auch machen, wenn man ein speicherndes Digitaloszilloskop nimmt.

      Christians Vorschlag halte ich für wesentlich praxisnäher, wenn es um das Selektieren geht.
      Er nimmt zuerst den höchsten Strom mit entsprechend Eigenerwärmung.
      Wird schnell hintereinandergemessen, ist die Temperaturänderung gering, halbwegs vernachlässigbar.
      Vorteil, die Temperatur entspricht ungefähr der, die sich z.B. in einem Verstärker im Betrieb einstellt.
      Dürfte allgemein bekannt sein, Messungen an Endstufen macht man normalerweise nach Warmlauf.

      Andreas
      Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
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