SANSUI TU-9900 Tuner - Eine Legende lebt

      Ich sags ja immer: Grundig war der einzige große Deutsche Hersteller, der über Jahrzehnte und bis in die 90er ambitioniert, mit vollem (personellen und materiellen) Einsatz und mit Erfolg High End HiFi entwickelt und produziert hat.

      Heute - und gerade auch durch die Betrachtungen hier im Forum - wird zum Beispiel für mich so manches Bild gerade gerückt und damit im Nachhinein eine objektivere Sicht der Dinge möglich.

      Mit den Jahrzehnten wird man auch offener und fühlt sich nicht gekränkt, wenn man alte Vorstellungen über Bord werfen muss.
      Auch heilige Kühe soll man ruhig mal am Schwanz ziehen, auch auf die Gefahr hin, dass sie wackeln oder umfallen ;)
      Achim
      1 femtowatt = 10 hoch -15 Watt

      65 dBf sind ca. 1,9 mV an 300 Ohm

      Weil Watt eben Watt sind, egal an welcher Buchse, ist in USA und auch in Europa, power statt uVolt an Ohm die Regel.

      Meiner Meinung nach, ist auch die Trennschärfe nach USA- Regel = 400 khz Raster
      Dazu die komische Angabe "Nachbarkanal" nur 5 dB ????
      Sodele, der Decoder- / NF-Baustein ist nun auch fertig geworden.
      Man kommt sich beim Einbau der WIMAs in den beengten Verhältnissen wie ein Zahnarzt beim Einpassen von Keramikkronen vor.

      Wie man sieht, sind in dieser für den Klang wichtigen Baugruppe jetzt bis einschließlich 10µF ausschließlich Folienkondensatoren im Einsatz.
      Die Frage nach unter Audiogesichtspunkten besonders geeigneten Elkos hat sich so gar nicht gestellt.



      Links unten der damals übliche Schiebeschalter für die Umschaltung der Deemphasis von 50µS auf 75µS. Er steht auf 50, wie es für Europa richtig ist.

      Und noch ein Blick auf die obsoleten Nichicons. Die Schmauchspuren, wie man sie vorne links bei einem Exemplar sieht, waren sicher an 50% der Elkos zu finden. Speziell in direkter Nachbarschaft der OP-Amps geht es heiß her.



      Die großen dunkelblauen ELNAs sind noch einwandfrei.

      Die hier an vielen Stellen eingestzten WIMA Miniatur-MKS mit 10µF, 50V, 10% und RM 5mm schlagen mit über 4 € pro Stück zu Buche :(

      Achim
      Hallo Hans,

      da schau ich morgen nach!
      Einige Elkos haben die Aufschrift "NP" für bipolar (z.B. der Ratioelko), was bei den MKS ja erst recht gegeben ist :)

      Die grünen radialen Japanischen Folienkondensatoren gab es damals auch im Fachhandel. Sie galten als besonders hochwertig.

      Mir fällt auf, dass im _gesamten_ Gerät fast ausschließlich Kohlemassewiderstände verwendet wurden. Das war auch bei den frühen Amerikanischen HiFi Geräten der Fall.
      Achim
      Hans, besten Dank!

      Die Angabe dBf ist vermutlich sehr alt, ähnlich Neper.
      Das mit den 5 dB zum Nachbarkanal ist mir auch aufgefallen, ganz böse schlechter Wert. Das würde ja heißen, liege ich einen Kanal neben dem Sender, also vermutlich 400 kHz, höre ich den noch grob mit 1/4 Lautstärke.
      Mein Lieblingsfunkgerät Drake TR7 stammt aus der gleichen Zeit:
      http://www.dl2jas.com/vorstellungen/tr7/tr7.html
      Ganz unten sind die technischen Daten. So einen Drake kann man natürlich nicht wirklich mit einem Radiogerät vergleichen, etwas andere Liga. Drake gibt an, daß bei 4,1 kHz neben dem Träger der Pegel um 60 dB sinkt. Das habe ich verifiziert mit meinem alten HF-Messplatz von Schlumberger, kommt hin. Das Standardfilter hat eine Breite von 2,3 kHz, sinnvoll für SSB.

      Andreas, DL2JAS
      Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
      Hallo Achim,

      waaaas, schon fertig??? Das hört sich doch gut an. Ich hab ja hier hin und wieder mal reingeschaut, die letzten beiden Tage eigentlich des öfteren und muss schon sagen, dass ich es absolut klasse (sagt man das noch?) finde, welche lebhafte Diskussion sich hier in diesem Thema entwickelt hat.

      Ich würde mich freuen, wenn sich das Ganze auch nach Abschluss Deiner Arbeiten am Sansui hier im Sinne des bisher geführten fachlichen Austausches noch rege weiterentwickeln würde und allen Teilnehmern auch etwas bringt, was jeder für sich mitnehmen kann :)

      ---
      Jürgen
      Fertig noch nicht, aber so weit, dass man die Funktion überprüfen kann, also eine Art Zwischenbilanz.
      (Einige Punkte sind ja noch abzuklären...)

      Die Diskussion macht mir auch große Freude, es ist immer wieder erstaunlich, wie viele wertvolle Informationen in diesem Zusammenhang auftauchen.
      Das ist nicht selbstverständlich.
      Achim
      Hier zunächst der Nachtrag zu den orangefarbenen Kondensatoren im TU-9900.

      Es sind insgesamt 5 Stück und 3 verschiedene Typen:



      Der Linke 2,2µ ist ein Nippon Chemicon mit dem Zusatz "LR"

      Der Zweite und Dritte von links (Hersteller ELNA) hat ein "S" in einem Kreis und
      Nummer 4,5, und 6 von links von Nichicon haben jeweils ein "M"

      Alle 3 Typen sind für 85° spezifiziert und alle, und das ist ungewöhnlich, sind an der Anschlussseite mit Kunstharz vergossen, haben also nicht (nur) die übliche Gummidichtung.

      Heute habe ich den Tuner auch in Betrieb genommen und einem kurzen Praxistest zur Funktionsprüfung unterzogen.
      Doch zunächst die ansprechende Optik:







      Der Drehschalter für die Umschaltung AM / FM-Auto / FM-Mono hatte korrodierte Kontakte und wurde gereinigt.

      Alle Beleuchtungselemente funktionieren einwandfrei, keine Schwärzungen an den Lämpchen feststellbar.

      Die Umschlaltung des Signalstärkeinstruments auf "Multipath" ist beim Empfang über Antenne eine nützliche Sache.

      Wenn man die Mutingfunktion abschaltet (was ich immer mache) wird zwangsweise auf Mono geschaltet. Is it a bug or is it a feature?
      Wollte man das Stereo/Mono Relais vor dem "Flattern" schützen?
      Ich werde anhand des Schaltbildes noch prüfen, ob diese Funktion ihre Richtigkeit hat.

      Beim Bedienen fühlt sich der TU-9900 wie zu erwarten war, grandios an. Die Frontplatte besteht aus bis zu 15mm starken Metallteilen, alle Drehknöpfe sind aus massivem Metall gefertigt, die Beleuchtung ist uunaufdringlich, der Schwungradantrieb mit seiner großen Masse rast auch wenn man nur wenig Schwung gibt mit Karacho ans andere Ende.
      All das fühlt sich wirklich sehr edel und solide an. Das haben die großen Japanischen Hersteller wirklich beherrscht.



      Die Betriebsspannungen wurden genau eingestellt, der Ausschlag des Signalstärkeinstruments musste geringfügig korrigiert werden.
      Achim
      Hallo Jürgen,

      ja, das sind jetzt alles Kunststoffolienkondensatoren (die sind übrigens auch mit Kunstharz vergossen).

      Mit den orangen Elkos wird es eine Bewandnis haben. Tropenfest?

      Der Tuner ist mit dieser Bauteilbestückung, die schon an Industriequalität erinnert, sicher ein Unikat.

      Ich bin vom Klang und von der Empfangsleistung begeistert.
      Achim
      Hallo die Runde,

      in Post 072 hatte ich ja erwähnt, dass bei abgeschalteter Mutingfunktion auf Mono umgeschaltet wird.

      Das ist nicht normal und ist auch nicht sinnvoll.

      Hurra, ein Fehler!

      Interessanterweise blieb direkt nach dem Einschalten des Tuners der Stereoempfang bei gedrückter Mutingtaste (Muting off) aktiv. Nach einigen Minuten Betriebszeit wurde dann regelmäßig auf Mono geschaltet. :(

      Das sah nach einem temperaturabhängigen Fehler aus. Leider reagierte der Fehler auf den leisesten Hauch von Kältespray in der rechten Hälfte des Decoderbausteins, eine Eingrenzung war ohne Weiteres nicht möglich, also galt es, Gleichspannungen zu messen...

      Die Umschaltung auf Mono, bei Stellung des Wahlschalters AM oder FM-Mono erfolgt am IC 601 an Pin 9 über TR610, der Pin 9 auf Massepotential zieht, wenn die positive Schaltspannung über D64 ihn durchschaltet (grüner Verlauf).
      (Im Hitachi Datenblatt übrigens als "Compelling Monaural" also "Zwangsmono" [Pin 8 bzw. 9] gekennzeichnet.)



      In Stellung Stereo wird diese Schaltspannung negativ und damit die Betriebsart Stereo freigegeben.

      Das passierte aber nicht zuverlässig bzw. die Werte änderten sich mit der Zeit geringfügig.

      Die Ursache war natürlich schnell ermittelt: Der Basiswiderstand des TR610 mit Sollwert 56K, ein Kohlemassewiderstand, hatte seinen Wert auf 44K vermindert. Erwärmt man den Widerstand, sinkt der Wert noch weiter.
      Da beim Abschalten der Mutingfunktion über "S5" noch zusätzlich eine positive Spannung an die Basis von T610 gelangt, kippte die instabile Stereo-Monosituation auf Mono.

      Bereits beim Ersatz der Elkos war mir aufgefallen, dass im Rahmen einer früheren Reparatur der Transistor TR610 ersetzt worden war. Zu erkennen daran, dass ein Vergleichstyp eingebaut war, dessen Anschlüsse ungekürzt waren, was bei allen anderen Transistoren nicht der Fall ist. Zudem sah man auf der Printseite die Lötspuren.
      Da hatte man schon einmal versucht, den Fehler zu beheben, hat ihn vielleicht sogar für eine Weile behoben, weil die Daten des Ersatztransistors abweichen. Den fehlerhaten Basiswiderstand hat man aber unbehelligt gelassen ;)

      Der Kondensator C616 (0,22µF "BRN"?) ist übrigens einer der oben genannten orangefarbenen Elko-Fraktion.
      Im Hitachi Datenblatt ist hier ein ungepolter Kondensator vorgesehen. Jetzt sitzt dort ein MKS.

      Nächste Woche wird der Tuner weiter getestet, nach weitern "Macken" sieht es aber derzeit nicht aus.
      Achim
      Hallo Jürgen.

      die Ursache war einzig und allein der gealterte Widerstand.
      Der Stereoempfang ist jetzt gleichermaßen stabil bei "Muting ein" und "Muting aus".

      Ich habe noch etliche Kohlemassewiderstände in diesem Bereich gemessen, alle waren auf ihrem Sollwert. Von daher ist nicht anzunehmen, dass es da ein generelles Problem gibt.
      Achim